Prekär Beschäftigte
Viele sind nur prekär beschäftigt und haben kaum Schutzausrüstung. Supermarkt-Ketten und Zusteller-Multis wie Fedex und Amazon knausern diesbezüglich. Entsprechend hoch ist die Ansteckungsrate.
Das Departement der Seine-Saint-Denis ist auch wie viele periphere Zonen medizinisch unterversorgt. Der Bürgermeister einer örtlichen Gemeinde, Mohamed Gnabaly, erklärte der Zeitung Le Monde: „Die Leute haben die Tendenz, zu lange zu warten, bevor sie sich in ärztliche Hilfe begeben, weil sie auch fürchten, dass sie das zu teuer kommen könnte.“
Zu wenig Wohnraum
Vor allem aber haben schlechte Wohnbedingungen verheerende Auswirkungen: „Wo Großfamilien auf zu engen Raum wohnen, schlägt die Quarantäne in ihr Gegenteil um. Es entstehen familiäre Infektionsherde,“ warnt ein weiterer Bürgermeister. Im Raum Saint Denis gibt es außerdem noch Zelt- und Baracken-Lager obdachloser Migranten.
Abstand halten ist auch bei der Nahversorgung mit Lebensmitteln in so manchen Vororten schwierig geworden. Die traditionellen, meistens offenen Nahrungsmärkte wurden wegen chronischen Kunden-Gedränges geschlossen. Daher überfluten die Menschen die wenigen örtlichen Supermärkte, die noch halbwegs erschwingliche Frischwaren im Angebot haben.
Aus all diesen Gründen wurde die Polizei von Regierungsseite angehalten, nur noch mit äußerster Bedachtsamkeit auf aggressive Jugendliche und Halbwüchsige in Brennpunkt-Vierteln zu reagieren. Auch bei Drogendealern schauen die Beamten jetzt gelegentlich weg.
Vorsichtige Polizei
Viele Polizisten haben selber schon längst verinnerlicht, dass am Fuße von einigen Gemeindebau-Blöcken nicht die selben Quarantäne-Regeln angewendet werden können, wie in Wohnanlagen mit privaten Gärten oder in bürgerlichen Stadtvierteln, aus denen etliche Familien bei Quarantäne-Beginn in einen Zweitwohnsitz übersiedelt waren.
Die Sorge der Älteren und eindringliche Ermahnungen von Bürgermeistern, Sozialbetreuern und muslimischen Verbänden haben inzwischen einen beträchtlichen Teil jener Jugendcliquen eines Besseren belehrt, die anfänglich die Epidemie als eine „Erfindung der Regierung“ oder „Krankheit der Weißen“ abgetan hatten.
Aber ein harter Kern von post-pubertären Schwadroneuren. bleibt in einigen Siedlungen übrig, der Ordnungskräften und besorgten Nachbarn trotzt. „Das ist ein Gruppenphänomen. Wenn einer auf die Straße geht und die Polizei provoziert, wollen auch andere beweisen, dass sie weder vor der Polizei noch vor dem Virus Angst haben,“ erläutert ein Jugendmediator, der seit Tagen unterwegs ist, um durch gutes Zureden gefährliche Ansammlungen in den Sozialbau-Siedlungen aufzulösen.
Gefährliche Zusammenstöße
In der Satellitenstadt Chanteloup-les-Vignes, westlich von Paris, die bereits in der Vergangenheit mehrmals von schweren Ausschreitungen heimgesucht wurde, hatten am vergangen Samstag abermalige Zusammenstöße zwischen Jugendlichen und Polizei schreckliche Folgen. Ein Bursch gab in den Gassen der Stadt ein Rodeo auf einem Motorrad zum Besten. Ein Streifenwagen, der ihn verfolgte, wurde in einer Siedlung von Dutzenden Jugendlichen mit Wurfgeschossen attackiert und schwer beschädigt.
Die Streife forderte Verstärkung an. Laut Angaben der Behörden mussten die nachgerückten Beamten Gummi-Geschosse einsetzen, um ihre Kollegen aus der Umzingelung herauszuholen, der beschädigte Streifenwagen musste zurückgelassen werden. Ein fünfjähriges Mädchen, das zu dem Zeitpunkt mit seinem Vater in der Nähe spazieren ging, wurde schwerverletzt und schwebt in Lebensgefahr. Die Eltern haben gegen die Polizei Anzeige erstattet, sie behaupten ihr Kind sei von einem Gummigeschoss am Kopf getroffen worden. Die Behörden haben eine Untersuchung eingeleitet. Die Regierung fürchtet. dass genau so ein Vorfall dem sanitären Notstand einen sozialen Flächenbrand beifügen könnte.
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