Warum Macron Ideen für Europa liebt, sie aber nicht zündeten

Präsident Frankreichs kann niemand werden, der nicht mittels großartiger, pathetischer Reden den Eindruck vermittelt, er würde gleich die Welt aus den Angeln heben. Emmanuel Macron kann es – das hat der französische Staatschef am Mittwoch erneut vor dem EU-Parlament in Straßburg bewiesen. Da beschwor der Präsident, dessen Land bis Ende Juni den EU-Vorsitz führt, immer wieder die "Souveränität Europas" – und das auf allen Gebieten, von der Sicherheit des Kontinents bis zur Wirtschaft.
Reden mit dem Kreml Angesichts der Krise mit Russland forderte Macron eine neue europäische Sicherheitsordnung. "Ein Vorschlag dazu muss in den nächsten Wochen erarbeitet und dann mit den NATO-Partnern geteilt werden", urgierte der Staatschef. Anschließend müsse der Vorschlag Russland vorgelegt werden.
Macron will verhandeln
Weil die Gefahr einer militärischen Eskalation aber täglich wächst und die EU nicht so bald mit Moskau verhandeln wird, will Macron einspringen. Als einziger Vertreter einer EU-Atommacht. Zusammen mit Deutschland drängt er auf Gespräche mit dem Kreml. Drohungen gegen Russland lässt Macron nicht los.
Vielmehr pocht er auf einen "offenen Dialog".

Viel länger aber und mit mehr Verve schilderte Macron seine Ideen für Europa: Ein digitaler Binnenmarkt soll geschaffen werden, das Klima geschützt und die Dekarbonisierung vorangetrieben, die eigene, europäische Wirtschaft gestärkt und die ökonomische Abhängigkeit von den USA und China zurückgedrängt werden. Und über allen Plänen schwebt ständig Macrons viel beschworene Vision von der "strategischen Autonomie". Ein Europa also soll es sein, das "so unabhängig ist, dass es in der Lage ist, über sein Schicksal selbst zu entscheiden".
Der junge Staatschef liebt seine Ideen für Europa – fast hat man den Eindruck, er begeistere sich mehr für seine Visionen als für die politischen Realitäten in der Union.
Als inoffizieller Wahlkampfauftritt zündete seine Rede denn auch nicht wirklich. Im April wird in Frankreich gewählt, noch hat sich Macron nicht geäußert, ob er antreten wird. Die meisten seiner Zuhörer im EU-Parlament konnte er gestern nicht ganz mitnehmen.
"Schöne Rede"
"Eine schöne Rede, aber nur Worte", lautete der kritische Tenor vieler EU-Abgeordneter. Und EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred Weber, der wegen des Widerstands von Macron nicht EU-Kommissionschef werden durfte, giftete: "Alle sechs Monate, wenn die Regierungschefs ihr EU-Vorsitzprogramm vorstellen, hören wir immer eher das gleiche."
Kommentare