Die neue EU-Parlamentschefin schreibt schon jetzt Geschichte
Es ist ein Geburtstagsgeschenk der besonderen Art: Genau an ihrem 43. Geburtstag wurde die Maltesin Roberta Metsola am Dienstag in Straßburg zur neuen Präsidentin des EU-Parlaments gewählt. Ein Platz in den Geschichtsbüchern ist der Christdemokratin damit bereits sicher: Sie ist erst die dritte Frau – nach 31 Männern – an der Spitze des EU-Parlaments. Sie ist die jüngste Amtsinhaberin, die je in diesem Sessel Platz nimmt und sie ist die erste Chefin des Hauses, das aus einem sehr kleinen EU-Mitgliedsstaat stammt.
Alles andere als überraschend war hingegen ihre Kür. Schon gegen Ende des Vorjahres hatten sich die Fraktionen der Christdemokraten (EVP), der Sozialdemokraten (S&D) und der Liberalen (Renew) im europäischen Abgeordnetenhaus darauf geeinigt, dass die Maltesin das Ruder übernehmen sollte.
Es brauchte nur einen Wahlgang - für einen Sieg in der ersten Runde hatte Metsola eine absolute Mehrheitvon 309 Stimmen benötigt. Sie aber holte gleich 458 Stimmen. Überraschend war, dass EVP-Fraktionschef Manfred Weber auf den Job, der ihm zugestanden wäre, verzichtete - er will lieber Chef der EVP werden.
Seit acht Jahren agiert Roberta Metsola als Abgeordnete im EU-Parlament, davor arbeitete die Juristin und Mutter von vier kleinen Söhnen in der EU-Vertretung ihres Landes in Brüssel.
Abtreibungsgegnerin
Vielen Abgeordneten war suspekt gewesen, dass sie eine bekennende Abtreibungsgegnerin ist. In streng katholischen Malta ist Scheidung erst seit zehn Jahren erlaubt, Abtreibungen sind selbst nach einer Vergewaltigung strengstens verboten. Als EU-Abgeordnete hat Metsola mehrmals dagegen gestimmt, Frauen den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu erleichtern. Was bei Abtreibungen verboten und straffrei ist, entscheiden zwar allein die nationalen Regierungen, doch nach Ansicht von Frauenrechtlerinnen ist die Besetzung Metsolas ein fatales Signal von der Spitze der europäischen Volksvertretung. Aus diesem Grund hatten Grüne und Linke eigene – wenn auch völlig chancenlose Kandidatinnen – für die Wahl gestern aufgestellt.
Metsola will die "Blasen von Brüssel und Straßburg sprengen" - heißt: die EU-Abgeordneten sollen in ihren Wahlkriesen daheim besser mit den Bürgern in Kontakt kommen. Un mehr Selbstbewusstsein gegenüber den EU-Regierungen.
Karas und Regner als Vize
Zur Wahl standen am Dienstag auch die 14 Vizepräsidenten des Hauses. Nach einem Beschluss der EVP-Fraktion bekam erneut Othmar Karas (64, ÖVP) einen der drei Vizepräsidentenposten, die der größten Fraktion im Europaparlament zustehen. Der langjährige frühere ÖVP-Delegationsleiter wird damit schon seine dritte Periode in der Führungsetage der EU-Volksvertretung antreten. EP-Vizepräsident war er bereits von 2012 bis 2014 und seit der Europawahl im Jahr 2019. Im vergangenen Dezember hatte er sich innerhalb der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) um die Nominierung zum Parlamentspräsidenten beworben, unterlag aber gegen Metsola klar.
Und Evelyn Regner wurde von der sozialdemokratischen Fraktion nominiert. Sie ist stellvertretende Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten und aktuell auch Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung in der EU-Volksvertretung. Die ÖGB-Aktivistin zeigte sich auf Twitter "unglaublich geehrt" über die Nominierung. Nach Karas und der Grünen Ulrike Lunacek (2014-2017) ist sie die dritte Österreicherin, die EP-Vizepräsidentin wird.
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