Wie heikel die Frage ist, sieht man an der Zurückhaltung jener Länder, die Kiews Forderungen sonst vehement mittragen. Polen etwa ist auffallend zögerlich; die USA schließen Jetlieferungen derzeit ohnehin aus. Argumentiert wird, dass – analog zu den Panzerlieferungen – Kampfjets erst in Monaten, wenn nicht erst 2024 geschickt werden könnten. Für die umfassende Offensive, die Putin starten lässt, wäre das ohnehin viel zu spät.
Warum macht Kiew dann dennoch so viel Druck?
Weil man dort eines gelernt hat: Der Westen braucht Zeit, und aus einem Nein wird oft ein Vielleicht und später ein Ja. Zu Beginn des Krieges schien es ausgeschlossen, dass schwere Artillerie geschickt werden könnte, das steht nun außer Frage.
Dazu kommt, dass die Frage von Jets weniger eine militärisch signifikante als eine politische ist. Selbst wenn sich der Westen zu Jetlieferungen durchringen könnte, würden wenige Maschinen der Ukraine keine Lufthoheit verschaffen, sagen Experten. Dazu wäre – wie auch bei den Panzern – sehr viel Gerät nötig.
Aber allein die Tatsache, dass eine Debatte darüber geführt wird, ist für die Ukraine schon hilfreich. Denn Moskau wird damit signalisiert, was an westlicher Unterstützung alles möglich wäre. Man baut gewissermaßen an einer Drohkulisse Richtung Osten.
Dazu kommt, dass im Windschatten der Kampfjet-Debatte auch andere Waffensendungen verhandelt werden, die die Ukraine derzeit dringender braucht als die Flugzeuge – etwa Munition und vor allem Flugabwehr.
Über deren politische Zulässigkeit wird angesichts von Panzern und Jets öffentlich gar nicht mehr breit debattiert. Mehr noch: In Brüssel wird der Boden dafür bereitet, dass Kiew künftig direkt bei der Rüstungsindustrie bestellen kann. Damit blieben die Bestände der NATO unangetastet und die politische Debatte wäre vom Tisch – das Geld käme freilich weiter aus dem Westen.
Das Hauptproblem des Westens ist nämlich, dass es massiv an Nachschub fehlt. Der Krieg wird hauptsächlich über schwere Artillerie geführt, 35.000 bis 40.000 Geschosse verschießt die Ukraine wöchentlich – das ist so viel wie Frankreich in einem Jahr produziert.
Dazu kommen seit Corona andauernde Probleme mit den Lieferketten und ein Mangel an Grundstoffen wie etwa Salpetersäure, die zur Herstellung von Sprengstoff benötigt wird.
Umrüsten auf NATO-Standards
Diese Probleme kennt man auch in Kiew. Der Ruf nach „Mehr“ wird dennoch nicht verhallen – auch, weil man sich damit einen nachhaltigen Schutzschild für eine Zeit nach dem Krieg erhofft.
Das ukrainische Militär muss laut Experten ohnehin auf NATO-Standards umgerüstet werden, weil die derzeitigen Sowjet-Bestände nicht mehr aufgestockt werden können. Nachschub in der ausreichenden Menge gibt es nämlich nur in einem Staat – Russland.
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