In einer der finstersten Regionen des afrikanischen Kontinents – weil von dort kaum gesicherte Informationen in die Welt dringen – ist es offenbar zu einem Massaker gekommen: Demnach sind im Osten des Kongo bei Angriffen und Milizkämpfen an die 300 Menschen getötet worden. Die Regierung in der Hauptstadt Kinshasa, die nicht wirklich einen Zugriff auf das entlegene Gebiet hat, macht die Rebellenbewegung M23 für die Bluttaten der vergangenen Tage um die Ortschaft Kishishe verantwortlich. Die Angreifer sollen von Einheiten der Armee des benachbarten Ruanda unterstützt worden sein. Beide Seite dementieren.
Faktum ist, dass in diesem unzugänglichen Dreiländereck Kongo-Ruanda-Uganda, wo sich auch der Virunga-Nationalpark mit den weltberühmten Berggorillas befindet, Dutzende Milizen (die USA sprechen von 130) aktiv sind. Warlords kämpfen in wechselnden Allianzen um Macht und Einfluss in – und vor allem um die Bodenschätze der Region, allen voran um Coltan, das in jedem Handy steckt.
Faktum ist auch, dass die M23 (Mouvement du 23-Mars; Bewegung 23. März) militärisch eine der stärksten Gruppierungen ist. Und sie hat tatsächlich enge Verbindungen zu Ruanda. Diese reichen bis in die Zeiten des Völkermordes in dem Nachbarland 1994 zurück. Damals entfachte die dortige Mehrheitsbevölkerung der Hutus einen Genozid an den Tutsis – 800.000, aber auch gemäßigte Hutus, wurden regelrecht abgeschlachtet. Das Massaker konnte erst beendet werden, als der Tutsi Paul Kagame (der heutige Präsident) mit seiner Armee vom benachbarten Uganda in sein Heimatland einmarschierte.
Aus Angst vor Rache flüchteten Hutus zu Hunderttausenden in den Kongo (damals Zaire). Dort bedrängten sie die Tutsis der Region – bis diese, unterstützt von Kigali, Milizen bildeten, den Hutus die Stirn boten – und letztlich unter Mithilfe von Ruanda und Uganda bis Kinshasa marschierten und 1997 die Macht übernahmen – mit Laurent-Désiré Kabila an der Staatsspitze. Doch bald schon kam es zum Zerwürfnis zwischen ihm und seinen Mentoren.
Die ursprüngliche Tutsi-Schutztruppe zog sich in den Osten des Kongo zurück. Und lieferte sich Gefechte mit den desolaten Verbänden der Zentralregierung – bis es am 23. März 2009 zum Friedensschluss kam (daher der Name M23). Doch der hielt nicht lange, eine M23-Abspaltung eroberte 2012 vorübergehend die Millionenstadt Goma. Der Schock saß tief.
„Sturm auf Goma“
So wie jetzt: „Sturm auf Goma“ twitterten die Rebellen bereits im Vormonat. Ein von den Präsidenten des Kongo, Ruandas und Burundis vermittelter Waffenstillstand, der Ende November in Kraft treten hätte sollen, hielt nicht. In den Vororten von Goma war bereits Artilleriefeuer zu hören. Das Massaker von Kishishe könnte also erst der Anfang einer noch größeren Tragödie gewesen sein.
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