Warum Bulgarien auf das „Harvard-Duo“ hofft

Ein Wahlplakat mit zwei Männern hängt an einer Straße, auf der Passanten unterwegs sind.
Korruption, nicht die fatale Corona-Lage ist Thema Nr.1 bei den dritten Parlamentswahlen in nur acht Monaten. Einen Ausweg aus der Dauerkrise versprechen zwei Jung-Unternehmer

Wie schnell Quereinsteiger oder Showstars am politischen Firmament verglühen können, hat Slawi Trifonow eindrucksvoll bewiesen. Der in Bulgarien äußerst populäre Fernsehmoderator gewann im Juli mit seiner Anti-Establishment-Protestpartei die Parlamentswahlen.

Doch der Politneuling hatte weder Programm noch Plan für eine kompromissfähige Koalition. Die Folge: Einen Monat später schmiss Trifonow hin. Jetzt müssen Bulgariens Wähler am Sonntag zum dritten Mal binnen acht Monaten an die Urnen marschieren, weil es den zerstrittenen Parteien im Land nicht gelang, eine Regierung zu bilden.

Aber schon in der von Technokraten besetzten Übergangsregierung gingen zwei neue politische Sterne auf: Finanzminister Asen Wasilew und Wirtschaftsminister Kiril Petkow, beide Absolventen der amerikanischen Eliteuniversität Harvard, wurden binnen weniger Monate so populär, dass sie ihre eigene Partei gründeten.

Mit ihrer „Wir führen den Wandel fort“-Partei könnten sie morgen laut Umfragen aus dem Stand 16 Prozent der Stimmen holen und damit zweitstärkste Kraft im Land werden. Im ärmsten Land der Europäischen Union verkörpern die beiden Männer in ihren 40ern einen absolut neuen Typus Politiker:

Sowohl Wasilew als auch Petkow haben zunächst in den USA gearbeitet, kamen dann zurück in ihre Heimat und gründeten dort erfolgreiche Unternehmen – Wasilew in der IT-Branche, Petkow auf dem Nahrungsmittelsektor.

Beide waren sie vergangenen Sommer mit Tausenden Demonstranten durch die Straßen der Hauptstadt Sofia marschiert, um gegen die korrupte Regierung des national-konservativen Premiers Bojko Borissow zu protestieren. Dessen Partei GERB dürfte zwar wieder mit 24 Prozent der Stimmen die Wahl gewinnen – doch keine Partei will mit ihm koalieren.

Boyko Borissov gestikuliert vor einem Hintergrund mit dem GERB-Logo.

Regierte zehn Jahre lang Bulgarien: Ex-Premier Bojko Borissow

Welchen Missbrauch mit EU- und Staatsgeldern Borissow und seine Oligarchen-Freunde getrieben haben, machten nun seine jungen Herausforderer Kiril Petkow und Asen Wasilew publik. Das „Harvard-Duo“, so die Hoffnung vieler Bulgaren, soll nun das Land auf eine neue Schiene stellen. „Ich will, dass Bulgarien den neuen Namen ,Null Korruption’ bekommt“, verspricht Petkow in seinen Wahlkampfreden.

Bulgaren wandern aus

Doch um Bulgariens größtes Problem kommt auch das Harvard-Duo nicht herum – das tiefe Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Politik und dem Staat. Seit 14 Jahren gehört Bulgarien der EU an.

Hunderte Millionen Euro an Förderungen aus Brüssel sind versickert oder wirkungslos verpufft.

Noch immer ist es mit einem Durchschnittslohn von 640 Euro pro Monat das ärmste Land der EU und der Staat mit der niedrigsten Lebenserwartung (74,9 Jahre). Die Bevölkerungszahlen sind von neun auf sieben Millionen geschrumpft.

Nirgendwo in der EU ist die Corona-Impfquote niedriger – sie beträgt nur 28 Prozent. Täglich sterben hier fast 150 Menschen an Corona. An die 8.500 Menschen liegen derzeit mit einer Covid-Erkrankung in den Spitälern, davon mehr als 750 auf Intensivstationen.

Kommentare