Warten auf US-Hilfe für die Ukraine: Ein Schuss in die eigene Wirtschaft

„Er ist ein besserer Verkäufer als ich. Jedes Mal, wenn er in unser Land kommt, verlässt er es mit 50 oder 60 Milliarden Dollar. Das könnte ich niemals schaffen“, sagte Ex-US-Präsident Donald Trump am Wochenende über den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij. „Wir müssen ihnen Geld leihen, und wenn sie es schaffen, zu gewinnen, werden sie es uns zurückgeben“, fuhr er fort.
95-Milliarden-Paket
Dass Selenskij bei seinem letzten US-Besuch im Dezember erfolglos um weitere US-Militärhilfe gebeten hatte, macht für Trumps Zielpublikum keinen Unterschied. Seit Monaten blockieren seine Republikaner ein neues Hilfspaket, das neben 60 Milliarden Dollar für die Ukraine auch 35 weitere Milliarden für Israel und Taiwan enthält. Bisher haben die USA Kiew mit etwa 45 Milliarden Dollar an Militärhilfe unterstützt.
Trumps Position: Die USA könnten es sich nicht leisten, Kiew zu beliefern, während die Migration an der US-Südgrenze außer Kontrolle sei.
Tatsächlich aber profitiert vor allem die US-Rüstungsindustrie von den Milliardenpaketen. Jenes für die Ukraine würde etwa zu 64 Prozent in US-Unternehmen zurückfließen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine erlebt die US-Rüstungsindustrie einen wahren Boom an Aufträgen – von europäischen Staaten, die ihre leeren Munitionslager wieder auffüllen müssen oder neue Generationen an Waffensystemen kaufen wollen.
Laut der US-Notenbank Federal Reserve ist die Industrieproduktion im US-amerikanischen Verteidigungs- und Raumfahrtsektor seit Beginn des russischen Angriffskriegs um 17,5 Prozent gestiegen. Etwas mehr als drei Milliarden Dollar würden etwa in den Kauf weiterer 155-mm-Artilleriegeschosse und den Bau neuer Produktionsanlagen fließen. Mit der längeren Verzögerung des Hilfspakets wird auch die US-Armee gezwungen sein, ihr Produktionsziel für Artillerie um mehr als ein Viertel zu kürzen.
Produktion verdoppelt
Denn die US-Verteidigungsindustrie hat ihre Produktion von 155-mm-Artilleriemunition zwar seit Dezember 2022 mehr als verdoppelt, vom ursprünglichen Ziel ist man jedoch weit entfernt. Die US-Unternehmen produzieren derzeit etwa 30.000 Artilleriegranaten pro Monat. Das Pentagon hofft jedoch, diese Zahl bis September 2024 auf 60.000 Schuss pro Monat und bis Ende 2025 auf 100.000 Schuss pro Monat zu erhöhen.
Eben nicht nur zur Unterstützung der Ukraine, Israels und Taiwans, sondern um die eigenen, sich leerenden Arsenale wieder aufzufüllen. Die Summe für die Wiederauffüllung der US-Lager soll sich auf 20 Milliarden Dollar, also ein gutes Drittel des Ukraine-Pakets belaufen.
Wann es im US-Repräsentantenhaus zur endgültigen Abstimmung kommt und ob überhaupt, ist völlig unklar.
Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses und treue Trump-Mann Mike Johnson sagte vergangene Woche zwar: „Niemand will, dass Wladimir Putin sich durchsetzt. Ich bin der Meinung, dass er in der Ukraine nicht Halt machen würde. Wenn er dürfte, würde er durch ganz Europa ziehen.“ Und er bekräftigte, „auf der Seite des Guten“ zu stehen.
Dennoch dürfte sich noch zumindest bis Ende März nicht viel im Haus bewegen. Und auch dann ist es fraglich, ob die Abstimmung zugunsten des Pakets ausgeht: Einige linke Demokraten wollen nicht für das Gesamtpaket stimmen, da sie Militärhilfe an Israel ablehnen. Rechte Republikaner wollen „keinen Cent“ an die Ukraine zahlen, weswegen Johnson fürchten muss, von ihnen wie sein Vorgänger Kevin McCarthy aus dem Amt gejagt zu werden.
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