"Wertetumor": Was Orbans Triumph für die EU bedeutet

"Wertetumor": Was Orbans Triumph für die EU bedeutet
Während die europäische Rechte Orban zum Sieg gratuliert, zeigen sich Menschenrechtsorganisationen besorgt.

"Eine große Schlacht" stehe hinter dem wiederholten Wahlsieg seiner Fidesz-Partei, erklärte Ungarns Regierungschef Viktor Orban noch in der Nacht auf Montag. Von 199 Mandaten sollen 133 auf die rechtskonservative Regierungspartei entfallen, das entspricht einer knappen Zwei-Drittel-Mehrheit.

Gegen wen aber hat Orban diese „Schlacht“ geführt? Die Oppositionsparteien scheinen für die Ungarn keine adäquaten Alternativen zu bieten. Obwohl die erhöhte Wahlbeteiligung im Vorfeld als Vorteil für die Opposition dargestellt wurde, ist davon im Wahlergebnis nichts zu spüren. Gergely Karacsony, der Spitzenkandidat des Bündnisses MSZP-Parbeszed trat noch in der Nacht zurück. Es sei die unkoordinierte linke Politik, die bei den Wahlen gescheitert sei. Eine Lehre aus der Niederlage sei, dass die demokratische Mitte-Links-Politik von Grund auf neu errichtet werden müsse. Er betonte: "Wir müssen den Menschen näher kommen, müssen dort sein, wo die Probleme der Menschen sind." Er gratuliere "schweren Herzens", da bekannt sei, was hinter dem Sieg der Regierungspartei stehe: "eine Flut an Lügen, das Medienübergewicht, ein Fidesz begünstigendes Wahlsystem".

Gelegs (ORF) analysiert die Ungarn-Wahl

Rechtsextreme Jobbik auf Aufholkurs

Wie unbeliebt diese linke Politik bei den Wählern tatsächlich zu sein scheint, ist daran zu erkennen, dass auf Platz zwei hinter der rechtspopulistischen Fisdesz die Rechtspartei Jobbik landete. An sie entfallen 26 Mandate. Für ihren Vorsitzenden, Gabor Vona, ist Platz zwei allerdings wie schon vor der Wahl angekündigt eine Niederlage, die nun auch ihn zum Rücktritt zwingt.

Wenn Orban also von einer Schlacht spricht und damit nicht den Kampf gegen den politischen Mitbewerb im Inland meint, spricht er vielmehr von seinen beiden bevorzugten Gegnern, die auch Hauptthema bzw. beinahe einziges Thema im Fidesz-Wahlkampf waren: den Migranten und der EU.

Feindbild EU

Im Vorfeld der Wahl inszenierte sich Orban gerne als eine Art Widerstandskämpfer gegen die Besatzer aus Brüssel, die Osteuropa unfreiwillig einen Kurs diktieren würden. Nach seinem Wahlsieg erhält er dafür Applaus aus Polen. Die polnische Regierung sieht in dem Sieg eine Bestätigung der Emanzipationspolitik Osteuropas in der EU. Diese Politik mache Osteuropa als konstruktiven Partner in Europa und der Europäischen Union sichtbar, sagte Vizeaußenminister Konrad Szymanski.

Beifall kam außerdem aus den Reihen anderer europäischer Rechtsparteien. So gratulierte etwa der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders oder die Vorsitzende des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, über Twitter.

"Wertetumor neutralisieren"

Andere Mitgliedsstaaten der EU sind über Orbans EU-kritische Haltung besorgt. So rief etwa Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn die übrigen EU-Staaten zu einem energischen Handeln auf. Die EU-Mitgliedstaaten müssten sich "schnell und unmissverständlich auf der Basis des europäischen Vertragswerks" einbringen, "um diesen Wertetumor zu neutralisieren", sagte Asselborn zur Zeitung Die Welt.

Auch aus Österreich kommen kritische Stimmen in Richtung Ungarn. Der österreichische Europaabgeordnete Othmar Karas (ÖVP) kritisierte die Art, mit der der ungarische Regierungschef seinen Wahlkampf geführt hat. "Der Wahlerfolg rechtfertigt diese Politik, die Sprache, den Antisemitismus, die Korruption und den Nationalismus nicht", erklärte Karas. "Mit einer solchen Politik eine Zweidrittelmehrheit zu erringen, ist gefährlich und muss die europäische Demokratie und die Freunde der EU-Werte herausfordern", erklärte er auf Twitter. Karas appellierte, vor dem Abschicken von Gratulationsbotschaften an Orban sich dessen Politikstil genau anzuschauen. Orbans Fidesz gehört wie die ÖVP der Europäischen Volkspartei (EVP) an, deren Vorsitzender, Manfred Weber, bereits zum "klaren Sieg" gratulierte.

"Sumpfig" geworden

Letzteres erzürnt wiederum den sozialdemokratischen Fraktionsvize Josef Weidenholzer. Er forderte die EVP auf, endlich aufzuwachen: "Statt Glückwünsche zu übermittel sollten sie einfordern, dass unsere demokratischen Werten nicht weiter ausgehöhlt werden und Orban seinen Abschottungskurs verlässt", meinte er. In den vergangenen Jahren habe Orban "mutwillig ein Klima der Angst und der Panikmache befeuert, das eines EU-Mitgliedstaates nicht würdig ist. Orbans Politik geht auf Kosten der ungarischen Rechtstaatlichkeit und der Demokratie. Wie sumpfig es rund um Orban geworden ist, zeigen auch die aktuellen Korruptionsskandale", sagte Weidenholzer.

Es ist aber nicht nur Orbans Einstellung zur EU, die international für Skepsis sorgt. Amnesty International ist vor allem hinsichtlich des Anti-Migrationskurses des ungarischen Regierungschefs besorgt. "Nach dem Ergebnis der Parlamentswahl ist zu befürchten, dass diese menschenverachtende Politik fortgeführt wird“, sagte die Geschäftsführerin von Amnesty Österreich, Annemarie Schlack Das Resultat der Wahl vom Sonntag mache Amnesty aber nur "noch entschlossener". Die Politik Orbans habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass "kritische Stimmen attackiert und die Menschenrechte in unserem Nachbarland eingeschränkt wurden“.

Amnesty werde sich weiter für den "sozialen Zusammenhalt" in Ungarn einsetzen und gegen eine "Wir-Gegen-Sie-Politik aufstehen". Man werde sich "nicht von denen einschüchtern lassen, die Ungarns kritische Stimmen mundtot machen und eine Atmosphäre der Angst und Feindseligkeit gegen Menschen auf der Flucht schaffen".

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