Wien als Sündenfall für Orban

Wien als Sündenfall für Orban
Wahlen in Ungarn: Warum Wien für die Orban-Propaganda das perfekte Feindbild lieferte

Nein, bei seiner letzten Melange in Wien seien ihm leider keine Verschleierten begegnet, kann Istvan über die jüngste Angstpropaganda seiner Regierung derzeit noch herzlich lachen. Wie seine sämtlichen Freunde hat auch der Student vor ein paar Wochen das Facebook-Video von Janos Lazar gesehen. Da stand Viktor Orbáns enger Vertrauter und Kanzleramtsminister auf der Straße in Wien-Favoriten, um dort mit besorgter Miene vor den schrecklichen Zuständen in Wien zu warnen: Eine Stadt in der Hand von islamistischen Moslems, die die Österreicher quasi schon unterjocht hätten. Was in Wien für Empörung, auch bei der Politik, sorgte, sorgte bei jungen Ungarn vor allem für Spott. Überall in den sozialen Me dien seien Parodien auf Lazars Wiener Horrorshow kursiert: Der Minister als Kreuzritter, als Missionar oder sogar verschleiert. „Die übliche Propaganda“, kommentieren das viele auf der Straße in Budapest: „Orbán muss ja irgendwie Angst vor illegalen Einwanderern schüren.“

Tatsächlich hatte die gesamte Wahlwerbung von Orbáns Regierungspartei FIDESZ bis zuletzt ein einziges Thema strapaziert: Die drohende Überflutung Ungarns durch Migranten. Zuerst war es die EU, dann so gar die UNO, die sich angeblich gegen das Land verschworen hatte.

Verschwörungstheorie

Als Drahtzieher dieser Verschwörung wird der ungarischstämmige Milliardär George Soros angeprangert. „Stop Soros“ hat Orban ein Gesetzespaket getauft, dass den angeblichen Ansturm muslimischer Flüchtlinge aufhalten soll. Soros’ „Open Society Foundation“, die seit Jahrzehnten Bürger- und Menschenrechtsprojekte in ganz Osteuropa finanziell unterstützt, wurde zum Hort des Bösen gemacht. „Man hat uns und unsere NGO-Partner mit allen Mitteln at tackiert“, schildert Da niel Makonnen, Sprecher der Foundation, den Druck der letzten Wochen. Kleine Hilfsorganisationen seien mit illegalen Mitteln abge hört worden. Das Material sei dann grotesk verfremdet in den von Orbáns Freunden kontrollierten Medien aufgetaucht. Haltlose Anschuldigungen wurden erhoben, so etwa, dass Hilfsorganisationen leer stehende Wohnungen in Budapest beschlagnahmen würden, um dort Flüchtlinge einzuquartieren. „Man hat uns als Soros-Armee dargestellt, die Tausende Flüchtlinge einschleusen will“, erzählt der Sprecher.

Dass Orbán im aktuellen Wahlkampf diesen Propaganda-Feldzug inszeniert hat, ist für Istvan Toth Teil einer umfassenden politischen Strategie. „Er baut an einem autoritären Modell für seinen Staat, einer modernen Diktatur“, erzählt der Experte für Korruption, der das System Orbán seit Jahren durchleuchtet. Anders als in Diktaturen vergangener Jahrhunderte würde Ungarns Premier weniger auf brutale Unterdrückung der Menschen als auf Propaganda setzen, erläutert der Soziologe: „Propaganda ist weniger kostspielig als politischer Terror und außerdem viel effektiver.“

Wien als Sündenfall für Orban

Der Westen gescheitert

Dafür aber ist möglichst lückenlose Kontrolle über die Medien notwendig. Nicht umsonst hat der Premier konsequent Zeitungen und TV-Stationen seinen Verbündeten zugeschanzt. Nur so kann man die Botschaft von Ungarn als Verteidiger des christlichen Abendlandes weitgehend ungestört verbreiten. „In unserer liberalen Budapester Blase“, schränkt der Student Istvan ein, „funktioniert das nicht, aber auf dem Land, wo die Lokalzeitung die wichtigste Nachrichtenquelle ist, kann man die Geschichte gut verkaufen“.

„Illiberale Demokratie“ nennt der Regierungschef sein Gesellschaftsmodell. Es ist die Antithese zur freizügigen Multi-Kulti-Gesellschaft des Westens, die Orbán für gescheitert hält, weil sie ihre Werte verloren habe. Wien, meint der Student, sei dafür das perfekte Feindbild: „Das ist nicht so weit weg, dass man vom schönen Leben dort träumen möchte, aber nah genug, dass man vor den Zuständen dort Angst machen kann – und es hat eine linke Stadtregierung.“

Ob die Wahlkampf-Strategie des Premiers aufgeht, wird sich heute, Sonntag, weisen. Die Zersplitterung der Opposition und das ganz auf die Regierungspartei zugeschnitte Wahlsystem haben es der FIDESZ zumindest leicht gemacht, einen Er folg zu erzielen und ihre Macht zu befestigen. Am äußeren Anschein der Demokratie, ist Istvan Toth überzeugt, werde Orbán trotz allem festhalten. Doch die Ähnlichkeit mit wirklichen Demokratien sei längst nur noch Schein: „Unsere Institutionen sind Potemkinsche Dörfer geworden – und dahinter steht ein Mann, der entscheidet: Orbán.“

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