Polens Opposition jubelt - kommt der Machtwechsel?
Donald Tusks Oppositionsbündnis dürfte die polnische Schicksalswahl für sich entschieden haben. Die regierende nationalkonservative PiS wird die Macht aber wohl nicht leicht aus den Händen geben.
"Polen hat gewonnen. Die Demokratie hat gewonnen. Wir haben sie von der Macht verdrängt.“
Oppositionschef Donald Tusk war siegessicher, seine Anhänger jubelten. Zwar erhielt die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die in Polen seit 2015 den Ton angibt, mit 36,8 Prozent die meisten Stimmen bei der Parlamentswahl am Sonntag. Dennoch wird sie wohl keine Regierung mehr stellen können: Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) schaffte mit zwei weiteren Oppositionsparteien – Lewica und Dritter Weg – eine Mehrheit.
"Erlauben nicht, dass Polen verraten wird"
Gemeinsam erreichten sie laut ersten Nachwahlbefragungen etwa 53 Prozent. Die PiS unter ihrem Gründer Jaroslaw Kaczynski könnte allein mit der Rechtsaußen-Allianz Konföderation koalieren, die hat jedoch nur 6,2 Prozent erreicht – eine herbe Niederlage.
Die Stimmung bei der Wahlparty der Nationalkonservativen der PiS war deshalb zwar gedämpfter. Aber Parteichef Jaroslaw Kaczynski gab sich aber nicht entmutigt, im Gegenteil – er nahm den Sieg für sich in Anspruch und kündigte eine dritte PiS-Amtszeit an. „Wir erlauben es nicht, dass Polen verraten wird“, sagte der 74-Jährige.
Das verstehen Regierungskritiker als Drohung. Unter ihnen ging die Angst um, dass die Nationalkonservativen die Macht nicht einfach aus der Hand geben werden. Manche Beobachter äußerten auch die Sorge, dass man die Opposition der Manipulation bezichtigen werde. Donald Tusks parierte Kaczynskis Aussage damit, dass man die Wahl bis Dienstag überwachen werde, „sodass uns keine Stimme verloren geht“.
Dass die Auszählung überhaupt bis Dienstag dauern könnte, hat die PiS zu verantworten. Zusätzlich zu den Wahlen hat sie am Sonntag ein Referendum angesetzt, mit tendenziösen Fragen über den EU-Asylpakt oder Renten. Dadurch wollten die Nationalkonservativen ihre eigenen Wähler zur Urne locken.
Höchste Wahlbeteiligung seit der Wende
Gelungen ist das aber nicht, das Referendum scheiterte an der 50-Prozent-Hürde. Stattdessen strömten die Wähler der Opposition an die Urnen. Am späten Abend zeichnete sich mit 72 Prozent die höchste Wahlbeteiligung seit der Wende ab.
Bleibt es bei dem Ergebnis der Exit Polls, wird sich in Polen vieles ändern. Der 66-jährige Tusk, der das Land schon von 2007 bis 2014 das regierte, will etwa die umstrittenen Reformen der PiS zurücknehmen, darunter das faktische Abtreibungsverbot oder die massive Beschneidung der Justiz. Zudem wird Tusk, der nach seiner Zeit als Premier EU-Ratspräsident war, die Beziehungen zwischen Warschau und Brüssel verbessern. Die waren zuletzt mehr als unterkühlt: Aufgrund eben jener Justizreform droht Polen mit Jahresende ein Verlust von 35 Milliarden Euro EU-Aufbauhilfen.
Angekündigt hat Tusk auch, als Premier einen Teil der Regierung vor Gericht stellen. Auch darum galt der Wahlkampf als verbissen, schmutzig und war von vielen Animositäten geprägt. Er wurde in den von der PiS dominierten Staatsmedien als Handlanger Berlins und Moskaus geschmäht, er selbst verglich die PiS mit Dieben.
Löst Tusk seine Versprechen ein, dürfte auch die Ukrainepolitik des Landes nicht mehr auf der Kippe stehen. Zu Beginn des Krieges war Polen einer der größten Unterstützer des Landes gewesen, im Wahlkampf machte die PiS – auch unter dem Eindruck guter Umfragen der rechtsextremen Konföderation – Stimmung gegen Kiew. Man sagte plötzlich Waffenlieferungen ab, blockierte Getreidetransporte aus der Ukraine.
„Letzte freie Wahlen“
Wie fair die Wahlen waren, wird wohl auch noch Thema in Polen sein. Die OSZE, deren Beobachter bei mehreren Veranstaltungen von PiS-Chef Kaczynski nicht zugelassen waren, will sich am Montag dazu äußern. Regierungskritiker sprachen jedenfalls von den „letzten freien Wahlen in Polen“ – eine Anspielung an das noch autoritärer regierte Ungarn Viktor Orbans. Der wäre jedenfalls – wenn das Ergebnis hält – in Europa nun deutlicher isolierter.
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