Waffen für die Ukraine: Dem Westen geht die Puste aus
Die westlichen Arsenale leeren sich, die Politik bremst beim Waffenliefern massiv. Die Ukraine muss selbst produzieren, um nicht zu verlieren – nur: Wie soll das gehen?
Nein, leider. Die Botschaft aus Berlin ist – wie schon so oft – dieselbe: Die heiß ersehnten Taurus-Marschflugkörper, mit denen auch Ziele jenseits der russischen Grenze getroffen werden können, bekommt die Ukraine nicht, ließ man am Donnerstag wissen. Zumindest vorerst nicht.
Deutschland war lange Zeit allein in seiner Zurückhaltung bei Waffenlieferungen. In Berlin hieß es immer, man wolle keine Eskalation provozieren, der Hintergrund war aber auch ein anderer: Die Bestände der Bundeswehr waren nie besonders voll, doch seit Kriegsbeginn sind sie so leer, dass Deutschland im Fall eines großflächigen Angriffes rasch relativ wehrlos wäre.
Dieses Problem haben mittlerweile auch andere Staaten, und das spürt die Ukraine. „Wir können nicht mehr geben, geben, geben – und zusehen, wie unsere eigene Verteidigung zusammenbricht“, sagte der Chef der französischen Luftstreitkräfte letztens. Und selbst Polen, einer der größten Unterstützer Kiews, will die eigenen Arsenale aufstocken, bevor man wieder Waffen liefert.
Die Ukraine stellt das vor ein riesiges Problem. Versiegt der Waffenfluss, ist das geradezu eine Einladung an Moskau, eine neue Großoffensive zu starten – und zwar mit guten Erfolgschancen.
In Kiew weiß man das. Im Frühling hat man darum begonnen, die eigene Waffenindustrie umzubauen, um in absehbarer Zeit einigermaßen autark zu werden. Ganz unmöglich ist das nicht.: Während der Sowjetära war die Ukraine ein Rüstungsgigant, noch bis 2012 war sie viertgrößter Waffenexporteur der Welt. Zehn Jahre später schrumpfte ihr globaler Anteil aber auf nur ein Zehntel, der Grund dafür klingt beinahe wie Hohn. Nach der Krim-Annexion war der größte Abnehmer weggefallen – Russland.
Zwar produzierte die Ukraine auch zuletzt Waffensysteme, die mit westlichen mithalten konnten, Kamikaze-Drohnen, ferngesteuerte Boote und Marschflugkörper etwa. Doch der Sektor selbst galt als heruntergewirtschaftet und von Korruption zersetzt. Entfilzen soll ihn darum Oleksandr Kamyschin, der schon ein anderes Unternehmen zum Rückgrat des Staates gemacht hat: Als Chef der Staatsbahnen schaffte er es, seine Züge pünktlicher ankommen zu lassen als die der Deutschen Bahn – trotz Abfahrtsverbots bei Luftalarm.
Der 39-Jährige, der als Vertrauter Selenskijs und gut vernetzt im Westen gilt, privatisierte den Rüstungssektor, führte Verhaftungen und Entlassungen durch. Sein Ziel: Die Ukraine quasi zu einem Israel in Europa zu machen: autark in der Waffenproduktion, aber finanziell unterstützt von anderen. Denn auch wenn sich westliche Arsenale leeren und Regierungsmittel fehlen, Geld privater Investoren ist ja da.
Dass die Ukraine sich als Standort doppelt gut eigne – die Produktionskosten seien niedrig, und die Waffen können direkt im Einsatz erprobt werden, so das bittere Argument – verfängt bei westlichen Firmen. Ende September konnte Kamyschin so die globale Rüstungsindustrie in Kiew versammeln, seine Liste an Zusagen ist beachtlich: Die Türkei baut eine Bayraktar-Drohnenfabrik, der britische Rüstungskonzern BAE eröffnet einen Standort, und der deutsche Waffenriese Rheinmetall will über ein Joint-Venture sogar Kampfpanzer in der Ukraine produzieren – trotz der Gefahr, von den Russen zerbombt zu werden.
Nur: Fraglich bleibt, wie schnell diese Kooperationen Kiew auch auf dem Schlachtfeld helfen. Denn bis die Bayraktar-Fabrik fertig ist, ist es 2025. Da haben die USA möglicherweise seit einem Jahr einen neuen, alten Präsidenten Trump. Kamyschin wirbt dennoch unverdrossen für seine Sache. Schließlich weiß man in Kiew: Eine andere Lösung gibt es nicht.
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