Falsche Ausnahme Paris
Unter den Großstädten kann nur für Paris ein grüner Rathausboss ausgeschlossen werden. Aber das ist keine wirkliche Ausnahme im Grün-Trend: die Favoritin, die amtierende SP-Bürgermeisterin Anne Hidalgo, steuert einen besonders heftigen Anti-Auto-Kurs, den die Grünen kaum zu überbieten vermögen. Außerdem hat die Pariser Sozialistin ihre bisherige Allianz mit den Grünen bereits erneuert.
„Die Stadt der egoistischen Solo-Autofahrer gehört der Vergangenheit an,“ hämmert Hidalgo: „Wir schaffen die Voraussetzungen für eine 100 prozentige Rad- und Fußgängerstadt“. Nachdem Hidalgo schon den Lockdown für eine massive Ausdehnung und Verbreiterung der Radwege zu Lasten der Auto-Fahrzonen genutzt hatte, will sie künftig die verkehrsberuhigten Straßen verdoppeln und das Stadtzentrum weitgehend in eine Fußgängerzone umwandeln. Im verbliebenen Verkehrs-Raum soll die Geschwindigkeit auf 30 Km/h beschränkt werden. Linien-Busse, Taxis sowie Sharing-Autos werden Vorrang haben.
Verschmutzung und Vandalismus
Sogar Hidalgos bürgerliche Rivalin, Rachida Dati, hütet sich inzwischen vor einer frontalen Kritik dieses Anti-PKW-Kurses. Zwei Drittel der Pariser Haushalte sind bereits ohne eigenes Auto. Hidalgo kann sich auf diese Mehrheit bei ihren Bemühungen um Verkehrsberuhigung stützen. Die Oppositionspolitikerin Dati brandmarkt daher eher die Verschmutzung, den Vandalismus und die Straßenkriminalität, die die linke Stadtverwaltung aber auch die staatlichen Behörden, stellenweise einreißen haben lassen.
In den meisten Städten, in denen sich die Möglichkeit eines grünen Rathauschefs abzeichnet, ist die Grünpartei EELV („Europe Ecologie - Les Verts“) Bündnisse mit Links- bis Linksaußen-Parteien eingegangen. Das ist nicht neu, aber jetzt haben die Grünen durch ihr gutes Abschneiden im ersten Wahlgang die Führung der Linksbündnisse übernommen.
Macrons Partei und Konservative gegen Grüne
Im Gegenzug warnt die bürgerliche Traditionspartei „Les Républicains“ (LR), die Grünen würden nur als „Feigenblatt für tief-rote, linksradikale Machtübernahmen“ dienen und den betreffenden Städten ein „ökonomisches Desaster“ bescheren.
Die Zentrums-Partei von Präsident Emmanuel Macron, LRM („La République en marche“), die im ersten Durchgang eher schlecht abschnitt, hat sich jetzt öfters mit der bürgerlichen LR gegen die grün geführten Linksallianzen verbündet.
Das hat wiederum in den Reihen der Partei von Macron starkes Unbehagen ausgelöst. Einer der prominentesten Macron-Einflüsterer, der franko-deutsche Grüntribun Daniel Cohn-Bendit, ätzt: „Dieses Bündnis mit konservativen Hinterwäldlern gegen die Grünen ist unsinnig, wenn Macron mit Ökologie punkten möchte“.
Tatsächlich präsentieren sich Grünpolitiker, trotz Allianzen mit Linksaußen-Kräften, in Städten wie Lyon oder Bordeaux, als pragmatisch und unternehmerfreundlich.
Zerreißprobe für Macrons Partei
Das Problem für die LRM von Macron besteht freilich darin, dass ein beträchtlicher Teil ihrer Aktivisten eher linksliberal und grün gepolt sind, während der überwiegende Teil ihrer Wähler in bürgerlichen Gefilden angesiedelt ist.
Bleibt die Frage der Legitimität dieses Urnengangs: schon im ersten Wahlgang wurde angesichts der Corona-Epidemie eine Rekordenthaltung von über 55 Prozent verzeichnet, die nun noch weiter ansteigen könnte.
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