Um künftig vor Pandemien besser gewappnet zu sein, wird die EU, wird sie zudem ihre Planungen für eine neue Gesundheitsbehörde vorantreiben. Forschungsbemühungen aus ganz Europa sollen zusammengeführt werden. "Wenn wir zusammen agieren, können wir schnell agieren, und dafür sorgen, dass aus einem lokalen Virus kein globaler Virus wird."
Auch mit Blick auf die wirtschaftliche Bewältigung der Pandemie zog Von der Leyen zufrieden Bilanz. Kurzarbeitsprogramme, vor allem aber das gigantische, 800 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der EU bringe den Wiederaufbau in Europa in die Gänge. Zu sehen daran, "dass 19 EU-Staaten ihre Wirtschaft schon wieder auf vor-Pandemie-Niveau gebracht haben."
Für Selbstzufriedenheit aber sei keine Zeit, urgierte die Chefin der Kommission: Die nächsten Herausforderungen stehen schon bevor.
EU will eigenes "Chip-Ökosystem"
Die fatale Abhängigkeit Europas etwa bei der Produktion von Halbleitern. "Wir müssen ein ganzes, europäisches Chip-Ökosystem aufbauen", verlangte sie. Ein entsprechendes Gesetz werde vorbereitet.
Details dazu nannte die frühere deutsche Verteidigungsministerin nicht, wie sie überhaupt in allen ihren ehrgeizigen Plänen und Vorhaben für die EU vage blieb.
Doch vom gewaltigen Bereich des Klimaschutzes bis hin zur europäischen Verteidigung versuchte Ursula von der Leyen die optimistische Botschaft zu vermitteln: Die Herausforderungen sind riesig, aber zu bewältigen. Wenn Europa an einem Strang zieht.
Bei der Verteidigung freilich, fügte sie hinzu "hat es bisher an politischem Willen gefehlt." Alles sei da: die Kompetenz, das Wissen – "fragt sich nur, warum wir es nicht eingesetzt haben", fragte sie.
Europas Zusammenarbeit mit der NATO solle nun gestärkt werden, sagte sie. Dazu bereite die Kommission eine Gemeinsame Erklärung mit dem transatlantischen Verteidigungsbündnis – mit den USA als führender Macht – vor. Zudem soll kommendes Jahr, bei einem EU-Verteidigungsgipfel die europäische Verteidigung "den nächsten Schritt setzen".
Auch beim Klimawandel "muss an den von Menschen gemachten Ursachen dafür an den Stellschrauben gedreht werden", forderte die Kommissionspräsidentin ein. Mit dem "Green Deal" – dem Herzstück der Agenda dieser Kommission – hat sie das ehrgeizige Ziel vorgegeben.
Unterstützung für den Umbau
Bis 2050 soll Europa klimaneutral sein. Bis 2035 sollen die Co2-Emissionen um 55 Prozent gesenkt werden (ausgehend vom Niveau 1990). Dass dieser Umbau teuer wird, leugnet auch Ursula von der Leyen nicht, beruhigt aber: "Wir werden sicherstellen, dass dieser Umbau fair und gerecht sein wird." Fonds zur Unterstützung sozial ärmer Gruppen stünden bereit.
Dass aber die Energiepreise in ganz Europa zuletzt schon in die Höhe schossen – und viele EU-Staaten nervös machen, erwähnte die Kommissionspräsidentin mit keinem Wort.
Engagiert, aber wenig mitreißend hakte von der Leyen auch die übrigen, großen Herausforderungen für die EU ab: Von der Migrationsfrage, die immer noch nicht gelöst sei, weil sich die Staaten nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können.
"Die Seele Europas"
Über die Rechtsstaatlichkeit, die in einigen EU-Staaten immer brüchiger wird. Namen nannte Von der Leyen dabei keine, sie versprach nur: "Wir werden mit Dialog und Handeln dafür sorgen, dass sich die Menschen auf eine unabhängige Justiz verlassen können. Das ist die Seele Europas, und die müssen wir verteidigen."
Von der Leyen verwies darauf, dass die EU-Kommission vergangene Woche finanzielle Sanktionen gegen Polen beim Europäischen Gerichtshof beantragt hatte. Hintergrund war die fortgesetzte Tätigkeit der polnischen Disziplinarkammer, obwohl der EUGH den Stopp der Tätigkeit dieser Kammer angeordnet hatte.
Von der Leyen betonte, EuGH-Urteile seien bindend. Jedes Land habe sich dazu verpflichtet, die Werte der EU einzuhalten, als es als freier und souveräner Staat der Gemeinschaft beigetreten sei.
Die Rede zur Lage der Union wird jedes Jahr im September vom EU-Kommissionspräsidenten oder der -präsidentin gehalten. Im Anschluss folgt stets eine Debatte mit den EU-Abgeordneten, die die Rede der Kommissionschefin loben – oder zerpflücken.
Für die frühere deutsche Verteidigungsministerin ist es die zweite Rede dieser Art. Die CDU-Politikerin ist seit Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission.
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