Macron und Scholz geschwächt
Es könnte tatsächlich schnell gehen: Noch bei einem EU-Gipfel im Juni sollen sich die Regierungschefs der 27 EU-Staaten auf Von der Leyen einigen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der beharrlich Gegenkandidaten für die Deutsche ins Spiel gebracht hatte, ist durch seine Niederlage bei den EU-Wahlen stark geschwächt. Ähnlich geht es auch dem deutschen Kanzler Olaf Scholz, der mit seiner SPD bei 14 Prozent gelandet ist und derzeit offensichtlich wenig Interesse daran hat, gegen Von der Leyen zu arbeiten.
Klare Forderungen
Heikler wird es im EU-Parlament, wo die nominierte Kommissionspräsidentin eine Mehrheit braucht. Rein nach den Zahlen reicht dafür die Unterstützung der bisherigen Partner der EVP, der Sozialdemokraten und der Liberalen. Für diese Unterstützung aber stellen die Sozialdemokraten schon jetzt klare Bedingungen. Der Posten des EU-Ratspräsidenten, neben der Kommissionschefin die wohl prominenteste Rolle in der EU, soll ein Sozialdemokrat bekommen. Favorit für den Posten ist der ehemalige Regierungschef Portugals, Antonio Costa.
Noch heikler aber ist die zweite Forderung, die die Sozialdemokraten stellen: Kein Bündnis mit den Fratelli d’Italia, der Partei von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Fratelli, die bis heute als „postfaschistisch“ bezeichnet werden, stünden zu weit am rechten Rand, um sich mit ihnen politisch einzulassen.
Wichtige Unterstützerin
Doch die Italienerin könnte für Von der Leyen zur wichtigen Unterstützerin werden. Nach einem fulminanten Sieg bei den EU-Wahlen hat ihre Stimme unter den 27 EU-Staaten mehr Gewicht denn je. Ihre Partei wiederum zieht deutlich gestärkt ins EU-Parlament ein. Sie könnte Stimmen liefern, die Von der Leyen vielleicht dringend braucht. Da im EU-Parlament Abgeordnete gerne einmal gegen die eigene Fraktion stimmen, ist ihre Mehrheit dort nicht so sicher.
Ein neuer Kommissar
Doch auch für diese Unterstützung wird eine Gegenleistung erwartet - ebenfalls in Form eines Spitzenpostens, vorzugsweise in der EU-Kommission. Dort wird derzeit intensiv über neue Positionen diskutiert: Ein Verteidigungskommissar etwa, der die militärische Aufrüstung der EU koordinieren soll. Meloni müsste dafür einen Parteikollegen finden, der nicht als Rechtsaußen gilt. Ob ihn die Sozialdemokraten akzeptieren, ist trotzdem unsicher.
Auch die Liberalen melden sich bereits mit Forderungen nach hochrangigen Posten zu Wort. Allerdings sind sie nach massiven Verlusten bei der EU-Wahl in interne Konflikte verstrickt. Umso schwerer, sie hinter Von der Leyen zu vereinen.
Wie groß also soll das Bündnis sein, das Von der Leyen im EU-Parlament hinter sich vereint – und wie eng gestrickt? Die breite Mitte, von der man in der EVP spricht, die könnte für manche Partner zu breit sein.
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