Virtuelle Männerfreundschaft

Donald Trump bewundert Putin.
Donald Trump geht auf Kuschelkurs mit Kremlchef Putin - und findet einen Verbündeten gegen Hillary Clinton.

Zwei gegen eine ist feige. Donald Trump und Wladimir Putin gemeinsam gegen Hillary Clinton ist absurd. Wirklich? Seit laut FBI mutmaßlich russische Computer-Hacker sensible Datenbestände der Demokraten erbeutet haben, wird im Präsidentschaftswahlkampf ernsthaft darüber diskutiert. Hat der Republikaner den russischen Präsidenten als informellen Wahlkampfhelfer gegen die Demokratin an seiner Seite?

Als unstrittig gilt, dass Moskaus Sympathien klar verteilt sind. Hillary Clinton hatte als Außenministerin 2011 die Lauterkeit der russischen Wahlen angezweifelt. Putins verdeckt inszenierten Expansionsdrang auf der Krim rückte sie später in die Nähe von Hitler-Methoden. Und über die Macho-Posen des gelegentlich oben ohne reitenden Staatenlenkers verdrehte sie nur die Augen.

Mit Trump glaubt Putin einen ebenso nationalistisch gestimmten, machtbewussten Gleichgesinnten gefunden zu haben. Aus seinem eigenen Interesse an Russland hat Trump nie ein Hehl gemacht hat. Schon zu Sowjet-Zeiten baggerte der Immobilien-Mogul nach Sympathien, um im Herzen von Moskau einen Luxus-Wolkenkratzer zu bauen. Ohne Erfolg. Zuletzt suchte Trump 2013 die Nähe des Kreml, als er den damals ihm gehörenden "Miss Universe"-Schönheitswettbewerb für knapp 20 Millionen Dollar in Moskau stattfinden ließ.

"Ein echter Führer"

Trumps offen zur Schau gestellte Bewunderung für den Machthaber in Moskau ist gut dokumentiert. "Anders als Obama ist Putin ein echter Führer, der sein Land managt", sagte Trump mehr als einmal. Als Präsident werde er mit Putin "sehr gut auskommen", kündigte er an.

Die Wertschätzung blieb nicht unerwidert. Putin nannte den Bau-Unternehmer einen "sehr markanten, talentierten Menschen". Was Trump, eitel bis in die Haardecke, über Wochen wie eine Monstranz vor sich her trug. Interviewpartner, die wissen wollten, ob ihm das Lob des Mannes, der nicht nur in der Ukraine an der Weltordnung gerüttelt hat, nicht unangenehm sein müsse, bürstete der Milliardär ab: "Der Typ nennt mich ein Genie. Und das soll ich zurückweisen? Ich wär’ ja verrückt."

Umgekehrt sieht auch Moskau keine Veranlassung zu besonderer Neutralität. Zumal Trumps Entourage der Obama-Regierung regelmäßig die Hauptschuld am miserablen Verhältnis beider Länder gibt. Putin ging darum wie Honig runter, als Trump jüngst die Beistandsverpflichtung der NATO unter Vorbehalt stellte. Weil Amerika als Zahlmeister im Verteidigungsbündnis ausgedient habe, wenn er an die Macht komme, könnten sich die vor Putin am meisten fürchtenden Balten-Republiken Lettland, Litauen und Estland nur noch auf US-Hilfe verlassen, wenn sie ihre Rechnungen bezahlten. "Im Kreml müssen die Korken geknallt haben", sagte ein Ost-Europa-Experte des US-Außenministeriums dem KURIER.

Annexion der Krim

Die virtuelle Männerfreundschaft (getroffen haben die beiden einander nie) erreicht jetzt ihren vorläufigen Höhepunkt. Trump ließ anklingen, dass Amerika unter seiner Führung gewillt sein könnte, die Annexion der Krim durch Russland völkerrechtlich anzuerkennen – "Ich würde mir das anschauen".

Während des Parteitags der Demokraten hatte er Putin vor laufender Kamera indirekt um Amtshilfe beim Auffinden von rund 30.000 gelöschten E-Mails aus dem Fundus der damaligen Außenministerin und heutigen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gebeten. Das sicherheitspolitische Establishment in Washington stöhnte auf, viele Medien hyperventilierten: Noch nie habe sich ein Mann, der Amerika führen will, dem Feind so an den Hals geworfen und de facto eine ausländische Macht zur Spionage ermuntert, hieß es. Prompt drehte Trump wie schon bei vorherigen Provokationen bei. Sein Vorschlag sei "sarkastisch" gemeint gewesen.

Trotzdem geht Trump bei seinem Kuschelkurs Richtung Putin hohes Risiko ein, sagen selbst Parteifreunde. Das Etikett "Putin-Versteher" könnte gerade konservative Wähler verschrecken.

Ist Moskaus lange Hand mit im Spiel bei den Hacker-Angriffen auf die Wahlkampfzentrale von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton? Einschlägige Vorwürfe gegen russische Geheimdienste waren zunächst in US-Medien laut geworden. Inzwischen hat die Agentur für Nationale Sicherheit (NSA) den Fall an sich gezogen, erste Ergebnisse der Ermittlungen bestätigen Vermutungen, wonach Moskau verhindern will, dass Clinton das Rennen macht. Sie hatte sich schon als Außenministerin bei Kremlchef Wladimir Putin und ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow als Russland-skeptische Hardlinerin unbeliebt gemacht. Ihr Gegenspieler Donald Trump dagegen äußerte schon früh Sympathien für Putin und dessen Politik.
Kreml und Außenamt schweigen, aber die Duma ging zum Gegenangriff über. Auch Russland, so der Vizechef des Ausschusses für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, Dmitri Gorowzew, sei immer wieder Ziel von Hacker-Angriffen, deren Spur führe häufig in die USA.
Da passte es gut, dass der sonst extrem medienscheue Inlandsgeheimdienst FSB entsprechende Beweise nachschob. Man habe bisher Attacken auf die Netze von 20 „Staatsorganen“ und „Objekten der Infrastruktur von kritischer Bedeutung“ registriert. Cyberkriminelle aus dem Ausland hätten versucht, Schad- und Spähprogramme zu installieren, um sich Zugang zu sensiblen Informationen zu verschaffen. Die Angreifer seien höchst professionell vorgegangen. Die Zwischenfälle bestätigen aus Sicht von Experten wie Gorowzew die Notwendigkeit, wegen nationaler Sicherheit bei Hard- wie Software auf US-Importe zu verzichten und russische Analoge zu entwickeln.
Virtueller WeltkriegJuristen wollen die Materie rasch durch internationales Recht geregelt sehen. Weil einschlägige Normen derzeit fehlen, sei es auch sehr problematisch, überführte Hacker zur Verantwortung zu ziehen, warnt Sergei Lewtschuk von der Russischen Staatlichen Humanitären Universität. Das Internet, schreibt die Nesawissimaja Gaseta, werde mehr und mehr zum Schlachtfeld, auf dem sogar Weltmächte zunehmend ihre Konflikte austragen. Der dritte Weltkrieg werde virtuell geführt und habe bereits begonnen.
Der US-Wahlkampf werde in Russland entschieden, freute sich die sonst durchaus kritische Zeitung Kommersant. Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow warnt indes vor Selbstüberschätzung. Zwar würden Demokraten wie Republikaner in den USA vor Wahlen dem jeweils anderen die Schuld dafür geben, dass Russland keine blühende Demokratie, sondern ein „korrupter aggressiver Staat“ geworden ist. Dennoch habe das Verhältnis zu Russland es nie in die Top-Themen des Wahlkampfs geschafft. E. Windisch, Moskau

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