Verschwundener chinesischer Außenminister Qin "aus Amt entfernt"

Qin Gang
Der 57-Jährige war erst seit 30. Dezember im Amt. Seit 25. Juni ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten.

Der seit rund einem Monat aus der Öffentlichkeit verschwundene chinesische Außenminister Qin Gang ist laut Staatsmedien des Amtes enthoben worden. Wie der Staatssender CCTV berichtete, stimmte der Ständige Ausschuss des Volkskongresses bei einer Sitzung am Dienstag dafür, ihn "aus dem Amt zu entfernen". Zunächst lag noch keine Begründung für den Schritt vor.

Neuer Außenminister ist damit Qins Vorgänger Wang Yi (70), der diesen Titel bereits zwischen 2012 und 2022 trug. Beide stehen in einem ungewöhnlichen Arbeitsverhältnis zueinander: Erst am 30. Dezember war Qin als Wangs Nachfolger ernannt worden, für Wang war dafür ein eigener Posten als außenpolitischer Chefideologe - und damit direkter Vorgesetzter des Außenministers - geschaffen worden.

Wang Yi

Chinas alter und neuer Außenminister: Wang Yi

Qins Machtfülle fiel also im ersten Halbjahr kleiner aus als die seines Vorgängers. Seit dem 25. Juni war aber überhaupt nur noch Wang öffentlich aufgetreten, von Qin fehlte selbst bei wichtigen Staatsempfängen jede Spur.

Qin Gang galt eigentlich als Günstling Xis

Über die Gründe für sein Verschwinden war seither viel spekuliert worden. Nun ist klar, dass er tatsächlich bei der Parteiführung in Ungnade gefallen sein dürfte. Eine außereheliche Affäre mit einer Hongkonger Fernsehjournalistin war zuletzt als Grund dafür kolportiert worden.

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Der Fall ist politisch besonders brisant, weil Qin eigentlich als Günstling des chinesischen Machthabers Xi Jinping galt. Der Präsident sei es auch gewesen, der sich für Qins steile Beförderung vom Botschafter zum Außenminister stark gemacht haben soll. 

Unter der Ägide des Chefdiplomaten Wang sollte Qin in den nächsten Jahren als oberster Außenpolitiker der Volksrepublik aufgebaut werden - und seinem Vorgänger damit den Weg in den Ruhestand ebnen. Im Gegensatz zu Wang, der für seine scharfe Rhetorik gegenüber westlichen Diplomaten berüchtigt ist und deshalb in China den Spitznamen "Wolfskrieger" trägt, wurde Qin ein sanfterer Ruf nachgesagt.

Nächtliche Drohungen an den EU-Botschafter

Doch auch der 57-Jährige trat in seiner neuen Rolle als Außenminister hart auf. "Wenn die USA nicht auf die Bremse treten, sondern weiterhin den falschen Weg verfolgen", polterte der 56-Jährige bei seiner ersten großen Pressekonferenz im März, "können auch Leitschienen eine Entgleisung nicht mehr aufhalten."

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Nach vielen Jahren in Washington wurde Qin stets eine umfangreiche Kenntnis der westlichen Kultur nachgesagt, aber auch eine ebenso große Abneigung. Gegenüber dem Economist gaben anonyme, ehemalige Mitarbeiter Qins an, er sehe Europa und die USA als arrogant, heuchlerisch und im Niedergang begriffen an.

Im März soll Qin den EU-Botschafter in Peking, Jorge Toledo, spätnachts in das Außenministerium zitiert haben. Als der Spanier sich weigerte und anbot, am nächsten Morgen vorbeizukommen, soll Qin ihm nahegelegt haben, er solle an die Sicherheit des chinesischen Personals in der EU-Botschaft denken.

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