Vergewaltigungen in der Ukraine: „Den Soldaten war egal, dass mein Sohn nebenan war“

Vergewaltigungen in der Ukraine: „Den Soldaten war egal, dass mein Sohn nebenan war“
Russischen Soldaten werden vermehrt Vergewaltigungen vorgeworfen - das habe System, sagt Kiew. Doch auch Ukrainer sollen Gefangene misshandeln.

Natalja, die eigentlich anders heißt, und ihr vierjähriger Sohn sind mittlerweile in Ternopil, im Westen der Ukraine. In Sicherheit. Was sie zu Hause in einem Vorort von Kiew erlebt hat, darüber will sie vor ihrem Kleinen nicht reden: „Ihnen war egal, dass er nebenan war und geweint hat“, sagt sie der britischen Times. Sie, das waren die russischen Soldaten, die Nataljas Mann erschossen und sie vergewaltigten. „Er weiß nicht, dass sein Vater tot ist“, sagt sie.

Die Vergewaltigung der 33-Jährigen ist kein Einzelfall. Aber sie ist die erste, die juristische Konsequenzen nach sich ziehen wird. Die Generalstaatsanwältin des Landes hat ein Verfahren eröffnet, um auf die sich häufenden Übergriffe auf Frauen hinzuweisen: Vergewaltigungen seien eine systematisch eingesetzte Waffe der russischen Armee, so der Vorwurf. Die Anschuldigungen von Opfern häuften sich, zudem gebe es mitgeschnittene Telefonate russischer Soldaten, in denen sie teils mit ihren Taten prahlen.

Kriegsverbrechen

Seit 2008 ist Vergewaltigung laut der Genfer Konvention ein Kriegsverbrechen, ebenso wie die vorsätzliche Tötung und Folter von Zivilisten, Plünderungen oder das Aushungern von Menschen. Die Liste der Verbrechen, die russischen Soldaten beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Last gelegt werden können, ist dementsprechend lang: Es gibt dokumentierte Angriffe auf Kindergärten und Spitäler, die Belagerung von Mariupol führt bereits zu Wassermangel und Hunger. Für Vergewaltigungen wie jene Nataljas sammelt die Staatsanwaltschaft jetzt Beweise; einen ihrer zwei Peiniger identifizierte sie über seine Social-Media-Profile.

Doch auch Taten der ukrainischen Armee werden untersucht. Kürzlich kursierte ein Video, das zeigen soll, wie russischen Kriegsgefangene in die Beine geschossen wird. Ob es echt ist, wurde bisher nicht bestätigt; die ukrainische Seite hat aber versprochen, es zu untersuchen. „Der Missbrauch von Kriegsgefangenen ist ein Kriegsverbrechen“, so ein Berater von Präsident Selenskij.

Russland wird der Ukraine noch massivere Gräueltaten vor. Im Interview mit dem profil sagte Dmitrij Ljubinskij, Russlands Botschafter in Österreich, die von Russland zerstörten Krankenhäuser in Mariupol und anderen Städten seien in Wahrheit von den Ukrainern selbst gesprengt worden. „Die Ukrainer platzieren Sprengsätze. Und sie benutzen die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde.“ Belegt ist das nicht – und Russland wird damit wohl auch nicht in Den Haag vorstellig werden. Moskau erkennt die Gerichtsbarkeit des IStGH nämlich nicht an.

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