Schlimmer noch: Da, wo Vance für Trump Wähler aus der weißen Arbeiter- und Mittelschicht anwerben soll, im industriell geprägten Mittleren Westen, ist der frühere Erfolgsautor („Hillbilly Elegy”) so beliebt wie Zahnschmerzen; dabei müsste es für den Mann aus Ohio eigentlich ein Heimspiel sein.
Während Veep-Kandidaten normalerweise mit einem deutlichen Umfragen-Bonus in die heiße Phase vor der November-Wahl starten, liegen Vance` Zustimmungswerte noch unter der auf Krawall gebürsteten Sarah Palin, die einst John McCain den Wettstreit mit Barack Obama verdarb. Kein „Veep”-Kandidat in den vergangenen 44 Jahren, doziert CNN-Zahlenfuchs Harry Enten, ist so unbeliebt wie Vance.
Schier unbegrenzte Angriffsflächen
Der ist seit Tagen bei geneigten Fernsehsendern auf Entschuldigungs-Marathon. Dort erklärt er, warum seine Aussagen von den „unglücklichen, kinderlosen Katzenfrauen“, die die Demokraten steuerten (also auch deren designierte Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris; obwohl sie zwei Stiefkinder miterzogen hat) keine gewesen sein soll und er doch überhaupt nichts gegen Katzen habe.
Allein, das große Sorry funktioniert nicht. In der republikanischen Partei, wo viele von Beginn an gehörige Probleme mit dem erst seit 18 Monaten als Senator für den Bundesstaat Ohio hauptberuflich in der Politik tätigen Ex-Finanz-Investor hatten, rumort es so heftig, dass bereits über die Notbremse spekuliert wird, die Trump bald ziehen könnte, um den Ballast abzuwerfen. Sprich: Vance gegen einen etablierten, politik-erfahrenen Kandidaten wie Marco Rubio oder Doug Burgum einzutauschen, um die schier unbegrenzten Angriffs-Flächen von Vance zu kappen.
Abgang "unwahrscheinlich"
Weil Trump damit selbst verheerende Menschenkenntnis eingestehen würde (und sein Team Totalversagen beim Auf-Herz-und-Nieren-Prüfen des Kandidaten vor dessen Nominierung), halten seriöse Analysten in Washington aus heutiger Sicht einen Last-Minute-Abgang für „unwahrscheinlich”. Trumps Sprecher Steven Cheung sagt: „definitiv ausgeschlossen”.
Eher sei zu erwarten, vermuten republikanische Strategen in Washington, dass man die Vance-Empörungswellen ignoriert und parallel die Attacken auf Kamala Harris intensiviert; auf dass sich die Aufmerksamkeits-Öknomie zugunsten der Republikaner drehen möge.
Radikale Abtreibungs-Ansichten
Was schwierig wird, denn Team Harris hat Pannen-Kandidat Vance als Goldgrube identifiziert, aus der man bis November zu schürfen gedenkt. Vor allem aus Vance` radikalen Ansichten zur Abtreibung (er will Frauen, die den Bundesstaat wechseln, um einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, überwachen und bestrafen lassen) werden in den nächsten Wochen Dutzende TV-Werbe-Clips gefiltert; wissend, dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Amerikaner die „Abortion”-Politik von Trump und Vance ablehnt.
Für J.D. Vance, vor zwei Wochen noch eine kometenhafte Erscheinung am politischen Himmel über den USA, könnte sich „ein Absturz in Raten ergeben, der am Ende Trump den Sieg kostet”, sagte ein Nikki Haley-Anhänger in Washington dem KURIER, „er hat einfach auf das falsche Pferd gesetzt”.
Zumal auch Vance` Frau und potenzielle „Second Lady” Usha Vance aus Trumps Sicht unangenehm aufgefallen ist. Die aus intellektuellem Hindu-Haus in Kalifornien stammende Ex-Top-Anwältin einer liberal-progressiven Kanzlei in San Francisco hatte in der Vergangenheit gegenüber Freunden geäußert, wie sehr sie sich von Trump und dessen Politik „abgestoßen fühlt”.
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