Wenn Donald Trump die Demonstranten charakterisiert, die zu Hunderttausenden in den vergangenen Tagen in den USA (mit einigen Ausnahmen) weitgehend friedlich gegen rassistisch grundierte Polizeigewalt und soziale Benachteiligung auf die Straßen gegangen sind, hat er klare Definitionen: „Kriminelle“, „Brandstifter“, „Anarchisten“, „Plünderer“, „Antifa-Terroristen“. Die präsidiale Wahrnehmung entspricht nicht der Realität.
Nach KURIER-Recherchen in Washington D. C. reicht das Spektrum dort von jungen Familien mit Kindern, älteren Ehepaaren, Schülern und Studenten bis hin zu alleinerziehenden Müttern, Rentnern und Geschäftsleuten, und das quer durch alle Ethnien: Weiße, Schwarze, Latinos, American-Asians.
Dass Afro-Amerikaner optisch die Mehrheit stellen, ergibt sich für Ariana Evans, 22, von selbst. Die Politikstudentin war noch zu jung, als vor sechs Jahren Eric Garner in New York wegen des illegalen Verkaufs von Billig-Zigaretten auf der Straße in den Polizei-Schwitzkasten geriet – und dabei starb. „Damals habe ich den Satz mitbekommen, der heute nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis wieder das ganze Elend beschreibt: ,Ich kann nicht atmen‘. Darum bin ich hier“, sagte die junge Frau dem KURIER.
Evans war zuletzt durch Fernsehberichte bekannt geworden, weil sie in Washington mit dem Megafon unter dem Arm mehrfach erfolgreich zwischen Polizei und Demonstranten vermittelt hat, um Eskalationen zu vermeiden. Evans bestätigt den Eindruck, dass sich viele Washingtonians zuletzt in einer Art Trotzreaktion dem Protest an der Peripherie des Weißen Hauses angeschlossen haben, „weil Präsident Trump das Demonstrationsrecht mit Füßen tritt und mit der Abkommandierung von Nationalgardisten und anderen Sicherheitskräften eine einschüchternde Wirkung erzielen will“.
Auffällig in Washington und anderswo: Oft bringen Eltern ihre heranwachsenden Söhne und Töchter mit zu den Protesten. So auch Matt, 46, der den 15-jährigen Daniel im Schlepptau hatte. „Es ist wichtig, dass die junge Generation hautnah erfährt, was Benachteiligung und systematischer Rassismus in diesem Land immer noch bedeuten“, sagt Matt, „und dass man dazu nicht schweigen darf.“ Daniel will in den nächsten Tagen mit Freunden allein an den Protesten teilnehmen.
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