Nichts beschreibt Trumps Bewegung so gut wie ihr kitschiger Kampagnen-Song

Nichts beschreibt Trumps Bewegung so gut wie ihr kitschiger Kampagnen-Song
Bei jedem Auftritt des Ex-Präsidenten darf Country-Urgestein Lee Greenwood "God Bless the U.S.A." schmettern. Darin sehnt er sich nach einer Zeit, die längst vergangen ist.

Die tiefstehende Sonne taucht den Morgen in ein warmes Rot. Vor einer großen, dunklen, typisch US-amerikanischen Scheune sitzt ein Mann bereits auf seinem Traktor. Er trägt Vollbart, ein Holzfällerhemd, seine Haare sind nach hinten gestriegelt, die Hände auf dem Lenkrad übereinandergelegt, der Blick wehmütig in die Ferne gerichtet.

Es ist der Country-Sänger Lee Greenwood, wir schreiben das Jahr 1983 - auch, wenn das im Musikvideo nicht so aussieht. Über sanfte Gitarrentöne schnulzt er: 

"Wenn morgen alles weg wäre, wofür ich mein Leben lang gearbeitet habe, und ich neu anfangen müsste, nur mit meinen Kindern und meiner Frau - ich würde meinen Glückssternen dafür danken, heute hier leben zu dürfen. Denn die Flagge steht immer noch für Freiheit - und das können sie nicht wegnehmen."

Im Video ist zu sehen, wie Greenwood das Farmhaus betritt, wo die Familie schon wartet. Ein paar Verwandte sind zu Besuch. Die Frauen tragen lange Kleider, haben gekocht und servieren das Essen. An den Kopfenden des Tisches sitzen jeweils Männer, auf der einen Seite Greenwood selbst, der nun den patriotischen Refrain schmettert: 

"Ich bin stolz, ein Amerikaner zu sein, wo ich wenigstens weiß, dass ich frei bin." mit dem furiosen Finale: "Denn es gibt keinen Zweifel, ich liebe dieses Land. Gott segne die USA!"

40 Jahre später immer noch ein Hit für Patrioten

Dass Greenwoods musikalisch festgehaltene Liebeserklärung an sein Heimatland heute noch für feuchte Augen bei US-Patrioten sorgt, liegt in erster Linie an Donald Trump. Schon 2016, als der erstmals für die Republikaner ins Rennen um das Weiße Haus ging, nutzte er "God Bless The U.S.A." als Einlauflied bei jedem seiner Wahlkampfauftritte.

Und so spielte sich der kitschige Song im Verlauf der Jahre zu einer Art Hymne für die MAGA-Bewegung ("Make America Great Again") des Ex-Präsidenten. Das Lied und das dazugehörige Musikvideo bedienen dabei tiefliegende Emotionen, die viele Trump-Fans eint: Das wehmütige Sehnen nach besseren, einfacheren Zeiten, in denen die Rollenzuteilungen der Geschlechter klar waren, die ethnische Durchmischung gering und der wirtschaftliche Ausblick der Nation rosig.

Nichts beschreibt Trumps Bewegung so gut wie ihr kitschiger Kampagnen-Song

Country-Sänger Lee Greenwood gibt seine Patrioten-Hymne vor jedem Auftritt Donald Trumps zum Besten, diese Woche etwa am Parteitag der republikanischen Partei in Milwaukee.

Nur: Diese Ära der "Greatness", der Größe also, die von Greenwood beschworen wird, war schon 1983 eine Mär. Damals wie heute kamen enorm viele Einwanderer in die USA, der Großteil aus Mexiko. Die Metropolen an der Ost- und Westküste waren auch vor 40 Jahren schon multikulturell geprägt (ein Geheimnis des US-Wirtschaftswunders), das Stadtbild im ganzen Land von Ablegern großer Konzernketten geschmückt.

Bilder wie jene im Video, wo sich eine rein weiße Familie, anhand ihrer Kleidung und Aufgaben im Haushalt klar in traditionelle Geschlechterrollen getrennt, am Esstisch versammelt und vor der Mahlzeit - natürlich Truthahn - betet, waren damals wie heute die Ausnahme.

Schon Reagan nutzte den Song einst bei seinen Auftritten

Was jedoch 1983 ebenso gilt wie 2024: Mit Ronald Reagan beziehungsweise Donald Trump steht ein Showman an der Spitze der republikanischen Partei, der inhaltlich oft unkonkret bleibt und lieber die patriotischen Gefühle seiner Anhänger bedient. 

Bei beiden stand Lee Greenwood bei Wahlkampfveranstaltungen auf der Bühne, um genau dabei mitzuhelfen. Und den MAGA-Spruch hat Trump ebenfalls von Reagan abgekupfert.

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