Wie sich Hurrikan "Helene" auf den US-Wahlkampf auswirkt
Unter „October Surprise” versteht man in US-Präsidentschaftswahlkämpfen ein überraschendes Ereignis, das die Wähler politisch und emotional derart packt, dass es dem Kampf ums Weiße Haus in den letzten Wochen vor der Wahl eine neue Wendung geben kann.
Noch ist nicht ausgemacht, ob Hurrikan „Helene", der bereits 130 Tote und Milliardenschäden gefordert und weite Teile des Südostens der Vereinigten Staaten unter Wasser gesetzt hat, diese Wirkung entfalten wird. Oder ob der gerade einsetzende Streik von rund 45.000 Arbeitern in großen Container-Häfen an Ost- wie Westküste diese Rolle übernimmt. Ein Politikum höchster Güte ist der verheerende Wirbelsturm aber allemal.
Seit Experten von Präsident Joe Biden öffentlich befürchten, dass „Helene" über 600 Tote gefordert haben könnte - Hunderte Menschen werden noch vermisst -, wird jeder Schritt von Kamala Harris und Donald Trump akribisch beobachtet.
Bush-Versagen bei "Katrina"
Die Kandidaten für die Wahl in fünf Wochen wissen seit George W. Bush um das Risiko, sich in Zeiten extremer Naturkatastrophen halbherzig oder ungeschickt zu verhalten. Der Republikaner hatte 2005, als Hurrikan „Katrina” die Südstaaten-Metropole New Orleans und Umgebung verwüstet und fast 2.000 Tote gefordert hatte, ein miserables Krisen-Management zu verantworten, von dem er sich politisch nie erholen sollte.
Donald Trumps Instinkt für mediale Chancen führte den Republikaner bereits am Montag in den Süden des ebenfalls überfluteten Bundesstaates Georgia. In Valdosta gab er den Katastrophenschützer-in-Chief, versprach eine Tankladung Benzin und andere Hilfsmittel und warf Biden/Harris Versagen, Trägheit und Untätigkeit vor.
Dabei verstieg sich der 78-Jährige, der in Umfragen einen schweren Stand gegen Harris hat und jede Gelegenheit nutzt, um seine Rivalin zu beschädigen, zu der Behauptung, Georgias nach Hilfe suchender Gouverneur Brian Kemp habe Präsident Biden nicht ans Telefon bekommen.
Der Lüge überführt
Was Kemp vor Journalisten als Lüge entlarvte. Biden und er hätten bereits am Sonntag ausgiebig telefoniert, sagte er. Der Präsident habe Unterstützung zugesichert und jederzeit persönliche Erreichbarkeit signalisiert. Kemps Lob für Biden wird übrigens geteilt von den ebenfalls republikanischen Gouverneuren Virginias, Glenn Youngkin, und South Carolinas, Henry McMaster. Auch das ignoriert Trump.
An diesem Mittwoch will sich Biden per Helikopter-Flug einen ersten Überblick im Katastrophengebiet verschaffen. Er und Kamala Harris, die einen Wahlkampf-Trip in Nevada abkürzte und am Montag die Zentrale der „Federal Emergency Management Agency” (Fema) aufsuchte, kündigten umfassende Bundeshilfe für notleidende Gemeinden an. Biden: „Wir tun das Bestmögliche.”
Für seine Nachfolgerin bei der Präsidentschaftskandidatur könnte das trotzdem nicht genug sein. In dem mit am schwersten betroffenen North Carolina, bei der Wahl voraussichtlich ein heiß umkämpfter „Swing State”, hat der Hurrikan „den ohnehin bestehenden Frust vieler Menschen über Inflation und hohe Verbraucherpreise noch mal gesteigert”, sagen Kommentatoren in Raleigh. „Das könnte sich an der Wahlurne zu Ungunsten von Kamala Harris entladen. Sie verkörpert die Regierung, Trump steht nicht in der Verantwortung.”
Aber kommt es überhaupt dazu? Briefwahlunterlagen können in vielen Regionen North Carolinas derzeit nicht zugestellt werden. Weil die Post den Dienst vorübergehend einstellen musste. Etliche Wahl-Lokale, wo in wenigen Tagen Früh-Wähler vorzeitig ihre Stimme abgeben sollten, sind von den Fluten mitgerissen worden.
"Jede Geste zählt"
In dieser Situation den richtigen Ton zwischen Krisen-Managerin und Wahlkämpferin zu finden, „ist für Kamala Harris schwierig”, sagte ein Analyst im Frühstücksfernsehen, „jede Geste zählt.”
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