Dass Rassismus tief im US-amerikanischen System verwurzelt ist, bestätigt auch Sahar Aziz dem KURIER. Die Juristin ist Direktorin des Center for Security, Race and Rights an der Rutgers Universität im US-Bundesstaat New Jersey.
„In den 60ern war Rassismus offen sichtbar. Später, in der ’post-rassistischen’ Zeit, hatte man das trügerische Gefühl, dass das Problem gelöst sei“, sagt sie. In den Neunzigern habe sich die Meinung verankert, Schwarze hätten mittlerweile die gleichen Rechte. Wenn also jemand keinen guten Job, keine gute Ausbildung, oder Probleme mit der Polizei habe, dann sei er oder sie „selber Schuld“.
„Die Präsidentschaft von Obama hat die Situation sogar verfestigt“, so ihre These: „Wenn wir einen Schwarzen zum Präsidenten gewählt haben, haben wir anscheinend kein Problem mehr.“ Es gebe einige Schwarze, die sogar glauben, Barack Obama habe das Land im Anti-Rassismus-Kampf zurückgeworfen. „Er wollte möglichst nicht bedrohlich für Weiße wirken“, sagt die Rassismus-Expertin. (Ihr Buch „The Racial Muslim - When Racism Quashes Religious Freedom“ wird demnächst veröffentlicht.)
„Trump hat uns zurück zur Debatte gebracht" – seine Präsidentschaft somit für den Anti-Rassismus-Kampf etwas Gutes bewirkt. Durch Trumps Rhetorik werde wieder sichtbar, so Aziz, dass es in der US-Gesellschaft eine „Hierarchie“ gibt, in der Schwarze an unterster Stufe stehen. Medien, Politiker, Gesellschaft thematisieren jetzt „weiße Privilegien“ wieder.
Wenn in der Vergangenheit Immigranten etwa aus dem Nahen Osten kamen, haben sie sich in diese Hierarchie eingefügt und von Schwarzen eher abgegrenzt. Mit den Folgen von 9/11 habe sich das geändert. Mittlerweile solidarisieren sich andere Minderheiten in der Anti-Rassismus-Debatte mit Afroamerikanern.
„Weiter als Europa“
„Es klingt vielleicht paradox, aber die USA sind beim Thema Rassismus eigentlich bereits weiter als Europa“, sagt Politologe und Rassismusforscher Farid Hafez von der Uni Salzburg, der selbst in den USA gelebt und gelehrt hat.. Dass der Fall Floyd Proteste auslöst, liegt auch daran, dass US-Amerikaner ein besseres Verständnis von Rassismus und Polizeigewalt haben.
In den USA sei das Bewusstsein viel breitenwirksamer. Auch aufgrund der Aufarbeitung der Sklaverei. „Wir aber können das Problem nicht einmal benennen“, sagt Hafez und weist auf Polizeikontrollen von Muslimen und Schwarzen in Österreich hin.
Ein Vorteil für das Bewusstmachen von Rassismus seien digitale Medien. Einerseits die Bodycams von Polizisten in den USA, aber auch Smartphones von Passanten. „Natürlich sind lange nicht alle Amerikaner rassismusbewusst, aber das generelle Bewusstsein für die Problematik ist breiter als bei uns.“
Kommentare