Nur Michelle Obama würde Trump schlagen - warum will sie nicht?
Die frühere First Lady wäre in Umfragen die vielversprechendste demokratische Präsidentschaftskandidatin. Joe Biden liefert indes eine Erklärung für das verpatzte TV-Duell.
„Was muss das für ein Gefühl sein”, fragte kürzlich ein betagter Parteispender der Demokraten in Washington beim samstäglichen Barbecue ganz ohne Ironie, „wenn man Amerika und die Welt vor Donald Trump retten könnte - aber einfach nicht will?” Der pensionierte Finanz-Investor meinte Michelle Obama.
Die frühere First Lady (2009 bis 2017) bedient seit Jahren die Phantasie links der politischen Mitte Amerikas, es eines Tages ihrem Mann Barack gleichzutun und nach dem höchsten Amt im Staate zu greifen.
50 Prozent der Amerikaner würden sie wählen
Nach dem TV-Debatten-Groß-Malheur von Joe Biden taucht der Name der 60-jährigen Mutter zweier erwachsener Töchter regelmäßig in Tuschelrunden von Politik und Medien auf. Wissend, dass ihr Mann 2016 diesen bis heute gültigen Spruch prägte: „Es gibt drei Dinge, die im Leben sicher sind: der Tod, Steuern, und dass Michelle nicht als Präsidentschaftskandidatin antreten wird.”
Eine neue Umfrage des als seriös bekannten „Reuters/Ipsos”-Verbundes wird daran substanziell voraussichtlich nichts ändern. Sie zeigt aber, mit welchem Vertrauensvorschuss die seinerzeit erste afro-amerikanische First Lady in der US-Geschichte ausgestattet wird. Obwohl sie nie ein politisches Wahl-Amt bekleidet hat.
Danach wäre Michelle Obama aktuell die einzige Person in den Reihen der Demokraten, die den republikanischen Herausforderer von Biden, Ex-Präsident Donald Trump, schlagen könnte. Und zwar deutlich. 50 Prozent der Amerikaner würden sie wählen, nur 39 Prozent in dieser Konstellation Trump. Alle anderen potenziellen Biden-Erben von Gavin Newsom (kalifornischer Gouverneur) bis Kamala Harris (Vize-Präsidentin) liegen erkennbar schlechter.
Verschwörungstheorie
Der Beliebtheitsbeweis für die 2018 und 2019 in einer Gallup-Umfrage zur beliebtesten Amerikanerin gewählten Obama reanimiert vor dem Demokraten-Parteitag in sieben Wochen eine bereits zu Jahresbeginn medial gepflanzte Verschwörungstheorie, die nur einen Schönheitsfehler hat: sie stimmt nach allem, was man wissen kann, nicht.
Danach würde Joe Biden bald bekanntgeben, dass er aus Alters- und Gesundheitsgründen doch auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit verzichtet. Auf dem Nominierungs-Parteitag in Chicago werde sich dann Michelle Obama unter Umgehung der Vorwahl-Strapazen Trägerin der Fackel anbieten, die ihr Mann Barack Obama 2008 entzündet hatte - und natürlich haushoch gewinnen.
Schon damals hielten führende Demokraten und Analysten der Erzählung entgegen, dass Michelle Obama mehrfach Klartext zur Sache gesprochen hat. „Der Grund, warum ich nicht für die Präsidentschaft kandidieren will, ist: An erster Stelle muss man diesen Job wollen." Und sie wolle eben nicht, erklärte sie.
Aus ihrem Umfeld wurde seinerzeit mit dem Argument nachgelegt, dass die Obamas mit acht Jahren Präsidentschaft ihre patriotischen Pflichten erfüllt glauben und ihr (finanziell sehr angenehmes) Leben an der Schnittstelle zwischen Hollywood, Politik, Kultur und großem Geld genießen.
In einem Gespräch mit der schwarzen Entertainment-Ikone Oprah Winfrey wurde Frau Obama noch deutlicher: „Ich habe nie Interesse an Politik bekundet, nie. Politik ist hart. Und die Leute, die da einsteigen, müssen es wollen. Es muss in ihrer Seele sein, weil es so wichtig ist. Und es ist nicht in meiner Seele.”
Erste offizielle Rücktrittsaufforderungen an Biden
Für Lloyd Doggett ist das unmissverständliche „Nein” aus dem Hause Obama eine Enttäuschung. Der Texaner ist der erste Kongress-Abgeordnete, der Joe Biden offiziell zum Rückzug aufgefordert hat. Um seine bewundernswerte Karriere nicht zu verschatten, müsse Biden aus dem TV-Desaster die Konsequenz ziehen und den Weg für eine Verjüngung ebnen, sagt er.
Unterdessen hat Joe Biden am Dienstagabend bei einer Wahlveranstaltung von Demokraten in McLean vor den Toren Washingtons erklärt, er sei in den Wochen vor dem TV-Duell oft um die Welt gereist (Frankreich, Italien etc.) und habe nicht auf seine Berater gehört. „Ich war nicht sehr schlau.” Am Abend des Aufeinandertreffens mit Trump sei er auf der Bühne fast eingeschlafen. Lloyd Doggett und andere Demokraten befürchten: Es könnte wieder passieren.
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