USA-China: Zeichen eines "neuen Kalten Krieges"
"Eine legitime und notwendige Reaktion" nennt China seine Maßnahmen, die vorangegangenen Handlungen der USA "unvernünftig". Die Spannungen zwischen den beiden Riesen ist in den vergangenen Tagen erneut angestiegen. Internationale Medien bezeichnen sie als "gefährlichste Spannungen seit Jahrzehnten".
Hintergrund für die "unvernünftigen Aktionen" der USA sind Handelsstreit, die Coronavirus-Pandemie, die Maßnahmen der chinesischen Zentralregierung in Hongkong und die schon länger andauernden Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren und Tibeter.
Nachdem die USA angeordnet hatten, das chinesische Konsulat in Houston zu schließen, hatte Peking seinerseits veranlasst, das US-Konsulat in Chengdu – der Hauptstadt der Sichuan-Provinz – innerhalb von 72 Stunden räumen zu lassen.
Was bedeuten die beiden Aktionen und was könnte als nächstes folgen?
Warum Chengdu?
Zunächst wollen wir uns die Entscheidung Pekings, gerade Chengdu für die „Vergeltungsaktion“ auszuwählen, genauer ansehen.
Die USA haben eine Botschaft in Peking und Konsulate in fünf anderen Städten auf dem chinesischen Festland: Schanghai, Guangzhou, Chengdu, Shenyang und Wuhan. Außerdem gibt es ein Konsulat in Hongkong. Chengdu sei in etwa der „Mittelweg“ sagt Cheng Xiaohe von der Renmin University zur Financial Times: „Wenn China Wuhan gewählt hätte, ein leeres Konsulat, dann würde es schwach wirken. Wenn China Hongkong, Guangzhou oder Shanghai gewählt hätte, wäre es zu ernst gewesen.“
Das US-Konsulat in Wuhan ist informeller Partner vom chinesischen Konsulat in Houston, das derzeit geräumt wird. Doch wegen der Coronavirus-Pandemie ist es seit Monaten leerstehend. US-Diplomaten hatten beanstandet, dass hinter der Aufforderung Pekings, nach Wuhan zurückzukehren und einen Coronatest abzugeben das eigentliche Ziel stehe, an DNA-Proben der Amerikaner zu kommen, schreibt CNN.
Ist das ein Kurswechsel Chinas?
Ein leeres Konsulat zu schließen hätte nicht den nötigen Effekt erzielt, sagt Jeff Moon, früherer Generalkonsul in Chengdu, gegenüber CNN. Es sehe also eher danach aus, als wolle China den Konflikt weiter eskalieren. Chengdu sei das einzige US-Konsulat im Westen Chinas, wo viele US-Firmen tätig sind.
Bis zuletzt schien China zwar den Konflikt stur weiterzuverfolgen, jedoch gab sich Peking nach außen immer wieder eher diplomatisch und deeskalierend. Die Entscheidung zum Konsulat von Chengdu ist zwar eine leichte Abkehr von diesem Weg, aber kann nicht als totaler Kurswechsel betrachtet werden.
Denn in Wahrheit stehen die Zeichen schon länger auf Eskalation. Während die USA zwei Flugzeugträger im Südchinesischen Meer patrouillieren lassen, verlegte Peking Kampfjets auf dortige Inseln, um Chinas Anspruch auf das Seegebiet zu untermauern.
Auch deshalb könne man von einer extremen Verschlechterung der Beziehungen sprechen, so Sinologe Cheng Xiaohe in der Financial Times. Der Handelskrieg sei in einen diplomatischen Streit einerseits und einen Tech-Krieg andererseits gemündet. Die USA treiben Strafzölle auf Importe aus China ein und versuchen, die Erfolge von chinesischen Tech-Unternehmen wie Huawei zu bremsen.
Das Handelsabkommen von Jahresbeginn ist in den Hintergrund geraten, nicht zuletzt wirft Washington Peking Versäumnisse mit dem Coronavirus vor. US-Präsident Donald Trump wird nicht müde, Covid-19 als "China Virus" zu bezeichnen.
Ist das erst der Anfang?
US-Außenminister Mike Pompeo hatte am Donnerstag in einer Grundsatzrede zu den Beziehungen zu China Peking vorgeworfen, „unser wertvolles geistiges Eigentum und unsere Geschäftsgeheimnisse“ zu stehlen. Außerdem warf er China „Sklavenarbeit“ vor.
Die Zeiten der UdSSR seien beendet, aber "das kommunistische China ist bereits innerhalb unserer Grenzen", warnte der Minister.
Seit Wochen versucht Washington, im Kampf gegen China auch europäische Staaten auf seine Seite zu holen, die teils eng wirtschaftlich mit dem Riesen in Asien verbunden sind. „Vielleicht ist es an der Zeit für eine neue Gruppierung gleichgesinnter Nationen“, sagte Pompeo, denn die USA können diese Herausforderung nicht allein bewältigen.
Wer schlägt sich auf die Seite Washingtons?
Nach dem Brexit dürfte sich insbesondere Großbritannien in Sachen China demnächst stark an Washington orientieren, aber etwa auch mit Indien schmiedet Außenminister Pompeo Allianzen.
Zuletzt hat London den eng mit der chinesischen Regierung verbundenen Tech-Riesen Huawei vom Ausbau des 5G-Netzes im Vereinigten Königreich ausgeschlossen.
Verstärkt liest man in britischen Medien in den vergangenen Tagen von Menschenrechtsverletzungen Chinas etwa gegen die muslimische Minderheit der Uiguren. Ein Interview des chinesischen Botschafters in London sorgte vergangene Woche für viel Aufsehen, da er vor laufender Kamera Ausreden für mögliche Massenverhaftungen zu suchen schien.
Ist das bereits ein "neuer Kalter Krieg"?
Der Druck von beiden Seiten erhöht sich. Die Financial Times zitiert einen Berater der chinesischen Regierung, der die Aktionen der USA verurteilt: „Die US-Regierung hat im Grunde einen neuen Kalten Krieg erklärt“, sagt Shi Yinhong der Zeitung. Auch andere Experten lassen erahnen, dass die Spannungen nicht kurzfristig seien, sondern erst „der Anfang“.
Die Märkte leiden bereits jetzt unter der Auseinandersetzung. Die asiatischen Aktienmärkte haben am Freitag nachgegeben. Deutliche Abgaben verzeichneten die chinesischen Festlandsbörsen und Hongkong. Aber auch in Australien, Indien und Südkorea ging es nach unten. Auch am Wiener Aktienmarkt merkte man die Auswirkungen. Er zeigte sich - wie das europäische Umfeld - tief im roten Bereich, der ATX verlor bis 10.20 Uhr 2,00 Prozent auf 2.250,86 Zähler und könnte damit den dritten Verlusttag in Folge verzeichnen.
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