Wie die USA doch noch 60 Milliarden Dollar für die Ukraine loseisen könnten

Wie die USA doch noch 60 Milliarden Dollar für die Ukraine loseisen könnten
Mike Johnson, Chef des US-Repräsentantenhauses, sucht nach einem Weg, die dringend benötigte Hilfe für Kiew freizubekommen. Doch die Hardline-Republikaner revoltieren schon.

Der Ukraine geht im Kampf gegen Russland buchstäblich die Munition aus. Der Ruf nach zusätzlicher Hilfe aus Amerika wird immer verzweifelter.

Aber Mike Johnson, der Mann, bei dem alle Fäden in der seit fast acht Monaten auf Eis liegenden 60 Milliarden-Dollar-Hilfe-Odyssee der Regierung von Joe Biden für Kiew zusammenlaufen, lässt sich mit einer Lösung des Nachschub-Problems weiter gediegen Zeit.

Der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses will ab Dienstag seinen bislang hartleibigen Widerstand gegen eine Abstimmung über die Militär-Unterstützung aufgeben; allerdings unter schwierigsten Vorbedingungen.

Zum einen soll weitere Unterstützung für Präsident Wolodimir Selenskij, der klipp und klar sagt: "Wenn der Kongress der Ukraine nicht hilft, wird die Ukraine den Krieg verlieren", in Form eines Darlehens gewährt werden.

So will es Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Dazu schwebt Johnson vor, dass die US-Regierung „eingefrorene” russische Vermögenswerte freimacht. Damit sollen die Aufwendungen für die Ukraine verdaulicher für eine zunehmend kritischere amerikanische Öffentlichkeit werden. 

Problem dabei: Nur knapp fünf Milliarden Dollar aus Moskau liegen auf US-Konten, rund 290 Milliarden $ dagegen bei europäischen Instituten. 

Flüssiggas-Exporte 

Außerdem will Johnson das Gesetzespaket mit sachfremden Details befrachten, die unter anderem seinem Wahlkreis frommen würden. Im Bundesstaat Louisiana soll der Bau von Terminals für den Export von Flüssiggas forciert werden. Präsident Biden ist hier zuletzt auf die Bremse gestiegen.

Mit der Konditionierung möchte Johnson die Anti-Ukraine-Fraktion auf dem extremen rechten Flügel der Republikaner einfangen, die „keinen Penny” mehr nach Kiew überweisen will, wie ihr Sprachrohr Marjorie Taylor Greene erklärt.

Gleichzeitig will der „Speaker” des Repräsentantenhauses damit dem Drängen der übergroßen Mehrheit von Demokraten und Republikanern nachgeben, die den Kampf der Ukraine gegen Moskau weiter als wichtige außenpolitische Aufgabe ansehen.

Johnsons Kalkül, über dessen Aufrichtigkeit große Zweifel bestehen, hat Schwachstellen. Im Senat, der zweiten Parlamentskammer, hatte das Ukraine-Paket bereits im Februar die nötige Zustimmung erfahren. Dass die von Johnson angeregten Nachbesserungen dort Gefallen finden, gilt als wenig wahrscheinlich. 

 „Wir haben keine Zeit zu verlieren.” 

Viele Senatoren reagieren ziemlich verstimmt. Mitch McConnell etwa, der republikanische Minderheitsführer dort, pocht darauf, dass Kollege Johnson unverzüglich eine Abstimmung zulässt. Der erfahrene Politiker aus Kentucky geht davon aus, dass über 300 Demokraten und Republikaner der Ukraine-Hilfe zur Durchsetzung verhelfen werden. McConnell: „Wir haben keine Zeit zu verlieren.” 

Seine Sorge: Käme das US-Paket erst im Sommer durch, könnten an der Front bereits irreparabel Fakten geschaffen worden sein - im Sinne von Kreml-Herrscher Wladimir Putin. McConnells Meinung wird von vielen führenden Militär-Analysten in Washington geteilt.

Allein, bei einem zügigen Verfahren ohne Winkelzüge könnte Mike Johnson politisch über die Klinge springen. Marjorie Taylor Greene und andere Mitstreiter der ultraradikalen Rechten drohen damit, dem vierfachen Vater und gottesfürchtigen Baptisten die Kevin McCarthy-Behandlung angedeihen zu lassen.

Der gleichnamige republikanische Abgeordnete aus Kalifornien, Vorgänger Johnsons, war 2023 von den eigenen Leuten brutal weggemobbt worden. Johnson, ein eingefleischter Trump-Anhänger, will sich dieses Schicksal ersparen. Er paktiert darum mit Parteifreunden, von den gemäßigte Republikaner wie Mike Turner öffentlich sagen, dass sie inzwischen 1:1 russische Propaganda in in ihren Kongress-Reden übernehmen. 

Aber aus Turner weiß: Sollte Johnson sich bei seinen Entscheidungen von den oppositionellen Demokraten tragen lassen, würden ihm die Radikalen in der „Grand Old Party” das Etikett „Verräter” ankleben.

Der Politik-Wissenschaftler und Ukraine-Kenner Timothy Snyder ist darum skeptisch, dass der in der Staats-Hierarchie drittmächtigste Mann der Vereinigten Staaten in den kommenden Tagen als ehrlicher Makler auftreten wird. Mike Johnson habe in der Vergangenheit alles getan, „um die Ukraine zu schwächen und einen russischen Genozid voranzutreiben.”

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