Strauchelt Hillary Clinton kurz vor dem Ziel?

Hillary Clinton.
Wenige Tage vor der US-Wahl bringen erneute Ermittlungen rund um ihre privaten Mailserver die Demokratin in Bedrängnis.

Viele sahen Hillary Clinton schon kurz vor dem Ziel: Dem Einzug ins Weiße Haus in Washington als erstes weibliches Staatsoberhaupt der USA. Neue Enthüllungen in der E-Mail-Affäre der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton bringen nun nochmals Turbulenzen in den Präsidentschaftswahlkampf. Nach der Ankündigung neuer Untersuchungen durch die US-Bundespolizei FBI forderte Clintons Kontrahent Donald Trump am Freitag (Ortszeit), diese dürfe mit ihren "kriminellen Machenschaften" nicht ins Weiße Haus einziehen.

Clinton selbst zeigte sich "zuversichtlich", dass aus der angekündigten Überprüfung der neu aufgetauchten Mails keine anderen Schlussfolgerungen als im Juli gezogen würden. Die 69-Jährige rief das FBI auf, seine Erkenntnisse zu den neu entdeckten Mails publik zu machen. Das FBI müsse umgehend "alle Informationen, die es hat, veröffentlichen".

Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl müsse das Volk umfänglich über die Vorgänge in Kenntnis gesetzt werden, sagte Clinton. Im Juli hatte das FBI erklärt, dass es in der E-Mail-Affäre keine Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten der früheren Außenministerin festgestellt habe.

FBI: Wollen nichts vertuschen

Am Freitag kündigte das FBI aber überraschend an, sich nochmals mit der E-Mail-Affäre zu befassen. Es seien neue Mails aufgetaucht, die für die Clinton-Untersuchung anscheinend "relevant" seien, erklärte FBI-Chef James Comey in einem Brief an den Kongress. Die Ermittler wollen nun prüfen, ob diese Mails möglicherweise als vertraulich eingestufte Informationen enthielten. Die US-Bundespolizei machte keine Angaben dazu, wo genau die neuen Mails zu der Clinton-Affäre gefunden wurden. Gegenüber der Washington Post erklärte Comey, er habe mit seinem Brief Vorwürfen vorbauen wollen, dass das FBI im Wahlkampf etwas vertuschen wolle.

Nach Informationen der New York Times stieß das FBI auf die Mails pikanterweise bei den Ermittlungen gegen den Ex-Abgeordneten Anthony Weiner. Dieser hatte wegen Sex-Nachrichten an diverse Frauen seinen Sitz im Repräsentantenhaus abgeben und später auch aus dem Rennen um den Bürgermeisterposten in New York aussteigen müssen.

Der Demokrat ist mit der engen Clinton-Vertrauten Huma Abedin verheiratet. Abedin ist Vizechefin von Clintons Wahlkampfteam und war früher ihre Spitzenberaterin im Außenamt. Sie trennte sich im August von Weiner.

Trump: "Größter Skandal seit Watergate"

Die Mail-Affäre sei "der größte politische Skandal seit Watergate", sagte Trump bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Cedar Rapids im US-Staat Iowa. Dem wegen frauenverachtender Sprüche und angeblicher sexueller Übergriffe zuletzt massiv unter Druck geratenen Republikaner bieten die neuen FBI-Untersuchungen möglicherweise die Chance, den Fokus in den letzten Tagen des Wahlkampfs stärker auf den Skandal seiner Konkurrentin zu lenken. Trump lag zuletzt in den meisten Umfragen hinter der Demokratin zurück.

Clintons Wahlkampfchef John Podesta reagierte erbost auf Comeys Brief. Es sei "außergewöhnlich", dass eine solche Ankündigung elf Tage vor der Wahl komme. Podesta erhob den Vorwurf, das FBI habe sich vom Trump-Lager "einschüchtern" lassen.

Private Server genutzt

Die demokratische Politikerin hatte in ihrer vierjährigen Amtszeit als Außenministerin unter Verstoß gegen die geltenden Regeln private und damit nicht sonderlich geschützte Server für ihre dienstliche Kommunikation genutzt. Dafür erteilte ihr FBI-Chef James Comey im Juli zum damaligen Abschluss der Untersuchungen eine scharfe Rüge, indem er ihr "extreme Nachlässigkeit" vorwarf. Das Justizministerium verzichtete aufgrund des FBI-Berichts aber auf ein Ermittlungsverfahren gegen Clinton. Die Affäre galt damit eigentlich als juristisch abgehakt.

2. März 2015: Die "New York Times" berichtet, als Außenministerin (2009 - 2013) habe Clinton ihr privates E-Mail-Konto auch für dienstliche Korrespondenzen genutzt.

10. März: Clinton erklärt, keine Regeln gebrochen zu haben.

27. März: Es wird bekannt, dass Clinton Zehntausende Mails von ihrem privaten Rechner gelöscht hat.

22. Mai: Die US-Regierung beginnt, Clinton-Mails zu veröffentlichen.

5. August: Die US-Bundespolizei FBI prüft die Sicherheit von Clintons privatem Server. Sind heikle Informationen nach außen gelangt?

11. August: Clinton entscheidet sich, ihren Mail-Server dem Justizministerium zu übergeben.

10. April 2016: US-Präsident Barack Obama stellt sich hinter Clinton. Sie habe nicht die Sicherheit des Landes aufs Spiel gesetzt.

25. Mai: Ein Bericht des US-Außenministeriums kommt zu dem Schluss, dass Clinton gegen interne Vorschriften verstoßen hat.

2. Juni: Der spätere republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump fordert, dass Clinton ins Gefängnis kommt.

2. Juli: Das FBI befragt Clinton mehr als drei Stunden lang.

5. Juli: Das FBI empfiehlt, keine Anklage gegen Clinton zu erheben. Zwar habe sich Clinton äußerst sorglos verhalten, für kriminelles Verhalten gebe es aber keine Anhaltspunkte.

6. Juli: Das US-Justizministerium folgt der FBI-Empfehlung.

7. Juli: Es wird bekannt, dass das US-Außenministerium erneut die E-Mail-Praxis von Clinton untersuchen will.

28. Oktober: Kurz vor den Wahlen teilt das FBI mit, dass weitere E-Mails gefunden worden sind, die nun untersucht werden sollen.

Kommentare