Boris Johnsons Kniefall vor Donald Trump

Ein Graffiti aus der Anti-Brexit-Kampagne: Trump und Johnson
Die offiziellen internationalen Reaktionen auf den Sieg Donald Trumps fielen überwiegend wohlwollend aus. Besonders auffällig ist aber der Meinungsumschwung bei Boris Johnson.

"Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden" - Mit diesem Adenauer-Zitat rechtfertigen manche Politiker ihre plötzlichen Meinungsänderungen. Journalisten antworten darauf gerne mit Robert Hochner: "Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv."

Diese Art von "Rache" übte nun der britische TV-Sender Channel 4 an Boris Johnson, legendärer Brexit-Beförderer, der nach der Abstimmung dann doch nicht Premier werden wollte und schließlich britischer Außenminister wurde. Johnson wurde nun mit einem Zusammenschnitt seiner Aussagen über Donald Trump vor und nach der Wahl konfrontiert.

  • Vor der Wahl, am 9. Dezember 2015, sagte Johnson als Londoner Bürgermeister in einem Interview: "Wenn Donald Trump sagt, dass Teile Londons eine Sperrzone sind, dann denke ich, beweist er damit eine verdummende Ignoranz."
  • Gestern Montag sagte Johnson als Außenminister: "Ich denke, da gibt es einige Sachen, die man wirklich positiv sehen kann und es ist wichtig, Trump oder seine Regierung nicht vorzuverurteilen."
  • Johnson, im Dezember 2015: "Das macht ihn, ehrlich gesagt, nicht dazu geeignet, das Amt des US-Präsidenten einzunehmen."
  • Johnson gestern: "Donald Trump ist, wie ich schon gesagt habe, ein guter Verhandler. Und das könnte sowohl für Großbritannien als auch für Europa eine gute Sache sein."
  • Johnson, 2015, über das von Trump ins Spiel gebrachte Einreiseverbot für Muslime : "Ich denke, Donald Trump hat eindeutig den Verstand verloren, wenn er glaubt, es sei vernünftig, so zu handeln. Man kann Leute nicht einfach auf diese Weise daran hindern, in die USA zu reisen, oder in irgendein anderes Land. Er spielt damit das Spiel der Terroristen und jener, die uns auseinanderdividieren wollen."
  • Johnson gestern: "Die Wahl ist erst ein paar Tage her, ich denke, wir müssen alle einmal schauen, was sie (die USA, Anm.) jetzt machen."
  • Johnson, 2015: "Ich würde ihn ja einladen und ihm das wirkliche London zeigen, aber ich möchte die Bevölkerung nicht dem Risiko aussetzen, auf Donald Trump zu treffen."
  • Johnson gestern: "Es hat sich einiges getan in der Welt, Leute finden, es werde ihnen nicht richtig zugehört, sie fühlen sich nicht vertreten. Sie beginnen jetzt, sich Gehör zu verschaffen. Wir sind jetzt gut beraten, wenn wir ihnen zuhören."

Es ist verständlich, dass Johnson als Außenminister nun einen anderen Ton anschlagen muss. Aber der Blick ins Archiv kann eben grausam sein. Auch Donald Trump wird als US-Präsident noch oft mit seinen Aussagen aus dem Wahlkampf konfrontiert werden.

Wir haben uns angesehen, wie sehr sich andere internationale Politiker nun in Bezug auf Donald Trump in Vorsicht üben:

Irischer Premier: Keine Rede mehr von "Rassismus"

So richtete etwa der irische Premierminister Enda Kenny im Namen der Regierung und seines Volkes "aufrichtige Gratulationen" an Trump. Irland und die USA würde eine innige und freundliche Beziehung über viele Generationen hinweg verbinden. Kenny zeigte sich "zuversichtlich, dass unsere bilateralen Beziehungen unter seiner Führung weiter florieren".

Dieses Jahr hat das schon einmal anders geklungen. So beschrieb Kenny Äußerungen von Trump im Vorwahl-Kampf als "rassistisch und gefährlich". Da sich der irische Regierungschef sehr wohl an sein eigenes Zitat erinnert, beeilte er sich festzuhalten, dass Trumps Aussagen damals wohl "in der Hitze des Gefechts" gefallen seien.

Europa setzt auf Zusammenarbeit

Am europäischen Festland setzt man nach all der Kritik nun ebenfalls auf Zusammenarbeit, wenngleich Frankreichs Staatspräsident François Hollande nach der Wahl von einer kommenden "Periode der Unsicherheit" sprach. Angela Merkel erklärte ebenfalls, sie wolle mit Trump zusammenarbeiten, aber unter der Bedingung, dass Deutschland und Amerika weiterhin die Werte wie Demokratie, Freiheit, Recht und Respekt vor Minderheiten achteten.

Rechtspopulisten reiten auf Trump-Welle

Europas Rechtspopulisten mussten hingegen nicht viel an ihren Aussagen feilen. Der britische EU-Bekämpfer Nigel Farage und der niederländische Rechtsaußen Geert Wilders verfolgten bereits im Sommer in Cleveland Trumps Inthronisation als Kandidat, auch Marine Le Pen sprach sich stets deutlich für den Immobilienmilliardär aus.

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache wollte hingegen vor der Wahl "weder Partei für den einen, noch für den anderen Kandidaten" ergreifen. Nach dem Trump-Sieg zeigte er sich aber fast euphorisch: "Die politische Linke und das abgehobene sowie verfilzte Establishment wird Zug um Zug vom Wähler abgestraft und aus diversen Entscheidungsfunktionen herausgewählt. Gut so, denn das Recht geht vom Volk aus." Kurz vor der Wahl soll Strache noch einen Trump-Berater getroffen haben.

Australiens Premier: Vorwurf der Anbiederung

Im englischen Sprachraum scheint man besonders darauf bedacht, die Beziehungen mit dem wichtigsten Handelspartner ja nicht aufs Spiel zu setzen. Bereits im Wahlkampf weigerte sich der australische Premier Malcolm Turnbull, Trumps Parolen zu bewerten. Das würde Australiens Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen entgegenstehen. "Die australisch-amerikanische Beziehung ist von lebenswichtiger Bedeutung", sagte er. Nach der Wahl ging Turnbull sogar so weit, sich mit Trump zu vergleichen: "Weil wir beide Geschäftsleute sind, die ihren Weg in die Politik fanden, bevorzugen wir nun eine pragmatische Annäherung an die Probleme unserer Nationen und der Welt". Sein Telefonat mit Trump "hätte gar nicht freundlicher verlaufen können", sagte Turnbull.

Boris Johnsons Kniefall vor Donald Trump
Medial wurde der Premier bereits für seine ausnehmend freundliche Haltungkritisiert.EinSky News-Kommentator fand es "unglaublich schwach, dass fast alle Staatenlenker nun das Steuer herumreißen und sich ihm(Trump, Anm.)anbiedern, anstatt zu ihren Prinzipien zu stehen."

Der australische Premier könnte auf Trumps Goodwill angewiesen sein. Soeben wurde ein Deal mit der Regierung Obama geschlossen, wonach die USA alle in Nauru und Papa-Neuguinea festgehaltenen Bootsflüchtlinge aufnehmen werden. Aufgrund von Trumps restriktiver Haltung in Migrationsfragen wird befürchtet, dass der Deal mit Australien einer Neubewertung unterzogen werden könnte.

Streitbare Schottin will "nicht schweigen"

Wie man Gratulation mit Standhaftigkeit verbinden kann, zeigte die Erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, und wurde so dem "Braveheart"-Image des Landes gerecht. Im schottischen Parlament sagte sie: "Ich werde nie eine Politikerin sein wollen, die sich in diplomatischem Schweigen übt, wann immer es um Haltungen von Rassismus, Sexismus, Frauenfeindlichkeit oder Intoleranz aller Art geht." Sie hoffe, dass Trump sich als Präsident deutlich von dem abhebe, was er als Kandidat präsentiert habe.

Boris Johnsons Kniefall vor Donald Trump
Nicola Sturgeon, the leader of the Scottish National Party, departs by helicopter from Prestonfield House in Edinburgh, Scotland, April 30, 2015. REUTERS/Russell Cheyne

Kanada: Trudeau übt keine Kritik

Als Standartenträger des Liberalismus hatte sich Kanadas Premier Justin Trudeau vor einem Jahr präsentiert. Mit Kritik an Trump, der so ziemlich größten Antithese zu ihm, hielt sich Trudeau aber stets zurück. Nach dem Wahlsieg des Republikaners übte sich der 44-Jährige in klassischer Diplomatie: "Wir freuen uns darauf, in den kommenden Jahren ... bei Themen wie Handel, Investitionen und internationalem Frieden und Stabilität zusammenzuarbeiten", sagte Trudeau und bot sogar eine Neuverhandlung des Handelsabkommens NAFTA an. Die Beziehung zwischen den USA und Kanada bezeichnete er als "Vorbild für die Welt".

Er hat wohl die Worte seines Vaters Pierre Trudeau beherzigt, der, einst ebenfalls Premier, über die Nachbarschaft zur Supermacht USA sagte: "Es ist, wie neben einem Elefanten zu schlafen: Ganz gleich, wie freundlich und ausgeglichen das Biest ist, wenn ich es so nennen darf, man achtet auf jedes Zucken und Grunzen."

Mexiko: Vom Hitler-Vergleich zur Zusammenarbeit

Diese Achtsamkeit legen südlich der USA die Mexikaner an den Tag. Deren Staatschef Enrique Pena Nieto erklärte, man wolle weiterhin eng mit den "Verbündeten, Partnern und Nachbarn" zusammenarbeiten. "Wenn es den USA gut geht, geht es Mexiko gut - und andersrum."

Dabei hatte Trump im Wahlkampf Mexikaner als Verbrecher bezeichnet und für den Fall eines Wahlsiegs den Bau einer Grenzmauer angekündigt. Dass er Trump bereits während des Wahlkampfes in Mexiko-Stadt empfing, brachte Peña Nieto viel Prügel ein. Hatte Peña Nieto die "schrille Rhetorik" des Präsidentschaftsbewerbers doch im März noch in eine Reihe mit Adolf Hitler und Benito Mussolini gestellt.

Duterte: "Lang lebe Mr. Trump!"

Einen besonderen Schwenk machte der umstrittene philippinische Präsident Rodrigo Duterte. Er legte in seiner bisherigen Amtszeit wenig Wert auf die Schutzmachtfunkton der USA und bezeichnete den amtierenden US-Präsidenten Barack Obama als "Hurensohn". Jetzt, unter Trump, hofft ausgerechnet er auf bessere Beziehungen auf Basis von Respekt und einem gemeinsamen Bekenntnis "zu demokratischen Idealen und Rechtsstaatlichkeit." Bei einem Besuch in Malaysia äußerte sich der raubeinige Politiker richtig euphorisch: "Lang lebe Mr. Trump! Wir beide fluchen schon bei den geringsten Anlässen. Wir sind uns ähnlich."

Zickzack-Politiker Trump

Der größte Zickzack-Politiker von allen dürfte aber Donald Trump selbst sein. Viel ist die Rede davon, dass er als Präsident wesentlich umsichtiger agieren werde, als seine Aussagen im Wahlkampf vermuten lassen. Aber Trump hat zu so vielen Themen so unterschiedliche Sachen gesagt, dass das Wort "unberechenbar" nur ein Hilfsausdruck ist. NBC erstellte bereits vor der Wahl eine umfassende Liste von Trumps rasch wechselnden Positionen. In 23 politischen Themenbereichen hat Trump demnach unterschiedliche Meinungen formuliert, allein beim Thema "Immigration" wurden zwanzig von einander abweichende Aussagen gezählt.

Vielleicht verleiht gerade diese Unberechenbarkeit wenigstens einer von Boris Johnsons Aussagen Sinn:

"Die Wahl ist erst ein paar Tage her, ich denke, wir müssen alle einmal schauen, was sie jetzt machen."

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