Die Gründe dafür sind mehrheitlich in der Person Trumps zu suchen. Schon 2016 kokettierte er damit, eine Niederlage nicht anzuerkennen; und genauso ist es jetzt: „Die Kommunikation des Präsidenten ist ja darauf angelegt, das Wahlergebnis – wenn es ihn nicht als Sieger ausweist – zu delegitimieren.“ Sein Angriffspunkt ist die Briefwahl, die coronabedingt derzeit vor allem demokratische Wähler favorisieren. Sie versucht er als manipulierbar hinzustellen, wo er nur kann: Es bahne sich dadurch „ein Riesenbetrug“ an, twitterte er zuletzt.
Rechtsgerichtete, boulevardeske Junk-News
Dass diese Anwürfe auch ins Bewusstsein der Wähler vordringen, dafür sorgen die sozialen Medien – und zwar so massiv wie noch nie. Zwar haben Facebook, Twitter und Konsorten sich nach der Wahl 2016 die Verpflichtung auferlegt, keine politische Werbung mehr zuzulassen; auch eine von Moskau aus gesteuerte Desinformationskampagne wie damals scheint mit den heutigen Regelungen kaum mehr möglich. Nichtsdestotrotz befeuert vor allem Facebook Inhalte, die dem amtierenden Präsidenten nutzen – aus einem simplen Grund: „Facebook wird in den USA von rechtsgerichteten, boulevardesken Junk-News dominiert, was die Popularität angeht. Das halte ich für ein Problem“, sagt Meyer. „Die verbreiten Inhalte, von denen Trump profitiert. Und sie verbreiten auch die problematischen Inhalte, die der Präsident selbst verbreitet.“
Dass die großen Plattformen seine Falschinformationen mit Warnhinweisen versehen haben – „da waren Aussagen darunter, die bei normalen Nutzern entfernt worden wären“, sagt Meyer – hat deren Verbreitung zwar deutlich eingeschränkt; die Postings gingen dadurch nicht viral. Gelesen werden seine Tiraden aber dennoch, schließlich hat der amtierende Präsident in Summe 120 Millionen Follower auf Facebook und Twitter. Und ob die den Hinweis, dass es sich hier um fragwürdige Inhalte handelt, ernst nehmen oder eher lächerlich finden, sei dahingestellt. „Was die messbaren Effekte bei den Nutzern angeht, sind wir relativ blind“, sagt Meyer.
Ziemlich egal dürften derartige Warnschildchen den Hardcore-Fans von Trump sein. Vor allem jenen, die er zuletzt ganz unverblümt dazu aufgefordert hat, quasi Gewehr bei Fuß zu stehen. „Stand back and stand by“, sagte er im ersten TV-Duell mit Konkurrent Biden – gerichtet war der Appell, sich erstmal zurückzuhalten, aber stets bereit zu sein, ganz offen an die rechtsextremen „Proud Boys“.
Für solche Aufforderungen empfänglich sind nicht nur organisierte Gruppen wie sie oder die Anhänger des QAnon-Kults, die an eine weltweitweite Kindesmissbrauchs-Verschwörung der Eliten und der Politik glauben und Trump für einen Engel halten, der dies beenden kann. Auch ganz einfache Bürger würden sich von der Aufrüstungs-Rhetorik aufwiegeln lassen, sagt Meyer: „Es gibt eine Rekrutierung von Freiwilligen seitens der Trump-Kampagne für eine sogenannte ,Trump-Army‘ – Freiwillige, die die Wahllokale beobachten sollen. Das sind alles Voraussetzungen dafür, dass sich dieser Konflikt zuspitzen kann“, sagt er.
Wie sich das auswirkt, sieht man bereits jetzt in den Wahllokalen. „Wir haben nach langer Debatte mit den Republikanern erreicht, dass das Tragen von Waffen im Wahllokal verboten ist“, sagt etwa Nancy Holland, Juristin und Wahlbeobachterin der Demokraten in Akron, Ohio, zum KURIER. „Wir sind auf jede mögliche Schwierigkeit vorbereitet.“
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