Urteil: Stierkämpfe in Spanien sind laut Höchstgericht "Kulturgut"

Urteil: Stierkämpfe in Spanien sind laut Höchstgericht "Kulturgut"
Die Regierung erleidet damit eine herbe Niederlage. Das Gericht hob Stierkampf-Verbote in den letzten Jahren schon mehrmals auf.

Wenn alles reibungslos abläuft, dauert es meist zwanzig Minuten, bis der Kampf – und damit das Leben des Stieres – beendet wird. Vier mit Widerhaken versehene Spieße haben das Tier zu diesem Zeitpunkt bereits schwer verletzt und ermüdet. Nun ist es die Aufgabe des Matadors (auf Deutsch: Mörder), einen bis zu 88 Zentimeter langen Degen bis zum Anschlag zwischen die Schulterblätter des Stieres zu rammen. Erst, wenn der Bulle auf dem Sandboden der Arena zusammensackt, erlöst man ihn mit einem gezielten Dolchstoß in den Hals von seinem Leid.

Die "corrida de toros", der traditionelle spanische Stierkampf, ist fast immer eine äußerst blutige Angelegenheit. Auch, wenn die Ausbildung zum Stierkämpfer viel Geschick und körperliche Fitness verlangt, wird das Spektakel in Spanien nicht mehr als Volkssport bezeichnet, sondern als zählt als "rituelle Tötung eines Tieres" zur Kultursparte.

Urteil: Stierkämpfe in Spanien sind laut Höchstgericht "Kulturgut"

Im Schnitt sterben pro Stierkampf-Veranstaltung sechs Bullen. Bei knapp 1.700 solcher Events lassen jährlich knapp 10.000 Stiere in den spanischen Arenen ihr Leben.

Im modernen Spanien verliert der Stierkampf zunehmend an Bedeutung, Tierschützer fordern seine Abschaffung seit Jahren im ganzen Land. Mehrere spanische Regionen verboten "corridas" bereits, wurden jedoch stets von nationalen Gerichten gebremst.

So hob das Höchstgericht in Madrid etwa 2013 ein Verbot in Katalonien auf, das zuvor in einem Volksbegehren angeregt worden war. Auch auf Mallorca finden nach einem Urteil seit 2019 wieder Stierkämpfe statt, obwohl die Regierung der Balearen sie zuvor verboten hatte.

Immer weniger beliebt
2007 erwirtschaftete der Stierkampf in Spanien rund 1,5 Mrd. Euro. Damals gab es noch ca.  3.700 Veranstaltungen pro Jahr, 2015 waren es nur noch 1.700.

10.000 Stiere sterben dabei pro Jahr.

Zucht und Verkauf
Einen Bullen aufzuziehen, kostet ca. 3.500 Euro, der Kaufpreis liegt bei ca. 25.000. Es gibt knapp 1.500 Zuchtbetriebe. 
Das Problem: Nur jedes fünfte Tier eignet sich für den Kampf.

Urteil: Förderung muss sein

Nun überstimmten die Höchstrichter in Madrid sogar die nationale Regierung um den linken Ministerpräsidenten Pedro Sanchez. Der hatte für alle 18-Jährigen im Land einen Gutschein im Wert von 400 Euro eingeführt, der für fast alle kulturellen Veranstaltungen in Spanien einlösbar ist – außer für Stierkämpfe.

Die seien aber "Teil des spanischen Kulturerbes", wie das Höchstgericht am Donnerstag erklärte, und daher nicht vom staatlich geförderten Kulturangebot auszunehmen. Sanchez’ Kabinett akzeptierte die Entscheidung zähneknirschend und kündigte bereits an, der Gutschein werde künftig auch für "corridas" gelten.

Victorio Martin, Präsident des Stierkampf-Verbands, frohlockte: "Dieses Urteil besagt, dass ein Regierungschef unabhängig von seiner Ideologie das Gesetz befolgen muss." Sein erbitterter Rivale Sergio Torres, Direktor für Tierrechte im spanischen Sozialministerium, forderte dagegen die Aufhebung eines Gesetzes von 2013, auf das sich das Urteil stützt: "Gewalt gegen Tiere sollte heute kein Kulturgut mehr sein."

Himmler-Anekdote gegen Stierkämpfe

Eine historische Anekdote, die wegen der anhaltenden Diskussion in spanischen Medien zuletzt wieder hervorgeholt wurde, unterstreicht die Gewalt von Stierkämpfen. So soll Heinrich Himmler, einst "Reichsführer SS" und oberster Verantwortlicher für die Konzentrationslager gegen Ende des NS-Regimes, im Jahr 1940 bei einem Staatsbesuch vom spanischen Diktator Francisco Franco in die berühmte Madrider Stierkampfarena La Venta eingeladen worden sein.

Der trotz der unter seinem Befehl verübten Gräuel zart besaitete Himmler, so ist es überliefert, soll vom blutigen Schauspiel in der Manege abgestoßen gewesen sein und die Ehrenloge frühzeitig verlassen haben.

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