Unruhen, Barrikaden, Anfechtung: Eine ganz "normale" Wahl in Kenia

Eine Gruppe von Demonstranten protestiert vor einem Feuer und Rauchwolken.
Der bisherige Vize William Ruto wurde zum Präsidenten gekürt. Doch Mitglieder der Kommission zweifeln das Ergebnis an. Auf den Straßen Nairobis wird protestiert, der Wahlverlierer will anfechten.

"Armut ist wie ein Löwe – kämpfst du nicht, wirst du gefressen", lautet ein altes ostafrikanisches Sprichwort.

Und derzeit kämpfen die Kenianer: Auf den Straßen Nairobis wird gegen das verkündete Wahlergebnis demonstriert, Protestierende errichten brennende Barrikaden, besetzen Gebäude und sperren Straßen. Ähnliche Bilder hat man aus dem bei uns vor allem für Safaris vor der Kulisse des Kilimandscharos bekannten ostafrikanischen Land schon vor fünf Jahren gesehen: Auch damals gab es Unruhen nach der Verkündung des Siegers der Präsidentschaftswahl, mehr als 100 Menschen wurden getötet. Noch schlimmer war es 2007 und 2008: Damals starben über 1.100 Menschen bei den Protesten, Hunderttausende wurden vertrieben.

Doch der Reihe nach: Am Montag hat die Wahlkommission den bisherigen Vizepräsidenten William Ruto (55 Jahre) zum neuen Staatsoberhaupt nach der Wahl am 9. August erklärt. Laut dem Vorsitzenden der unabhängigen Wahlkommission siegte Ruto mit 50,5 Prozent der Stimmen knapp vor Oppositionsführer Raila Odinga (77 Jahre) mit 48,9 Prozent. Vier der sieben Mitglieder der Wahlkommission distanzierten sich allerdings kurz vor der offiziellen Bekanntgabe von dem Wahlergebnis: Ihren Angaben nach sind rund 140.000 Stimmen mehr abgegeben worden als Wahlberechtigte registriert seien. Das Ergebnis sei undurchsichtig und werde von ihnen nicht anerkannt.

Menschen jubeln mit Wahlplakaten von William Ruto bei einer Wahlveranstaltung.

Ruto-Anhänger feiern den Sieg auf den Straßen Nairobis...

Schon in den Tagen zuvor kam es vor dem Auszählungszentrum in Nairobi zu Rangeleien zwischen Parteianhängern und Polizei. Nach der Verkündung brachen Tumulte im Wahlzentrum aus. Diplomaten und internationale Beobachter wurden aus dem Gebäude geworfen. In den Slums Nairobis, in denen Odinga großen Rückhalt erhalten hat, brachen Proteste aus.

Am Dienstag verkündete Odinga, der bereits zum fünften Mal für das Präsidentenamt kandidiert hatte, das Ergebnis anfechten zu wollen: Die Wahl nannte er eine "Farce", eine "eklatante Missachtung der Verfassung Kenias". Er wolle alle "rechtlichen Möglichkeiten" dagegen ausschöpfen.

Regelmäßige Unregelmäßigkeiten

Undurchsichtigkeiten bei der Stimmauszählung, Proteste bei der Siegerverkündung, eine schwache, wenig anerkannte Wahlkommission: Eigentlich etwas "Normales" bei demokratischen Wahlen in Afrika. Seit 2002 war jede Wahl in Kenia umstritten.

Ein Mann steht vor einem Reifenstapel, der in Flammen steht, während im Hintergrund eine Menschenmenge zu sehen ist.

... die Opposition protestiert.

Politologen und Entwicklungsexperten nennen es die "Tyrannei niedriger Erwartungen": Aus Angst vor politischer Instabilität gibt man sich mit niedrigen Standards zufrieden, toleriert Unregelmäßigkeiten. Etwa, dass die Stimmen in Kenia traditionell erkauft werden: Kandidaten geben im Wahlkampf viel Geld für Spenden aus. Langfristig werden damit aber keine Probleme gelöst; das frustriert vor allem junge Kenianer.

Kenia kämpft mit Krisen

Mittlerweile kämpft das Land, das lange Zeit als wirtschaftliches Schwergewicht und Stabilitätsanker in der Region galt, wieder mit zahlreichen Krisen: Der Tourismus fährt nach der Corona-Pandemie nur langsam wieder hoch; dazu kommen Dürre, Inflation und hohe Migration aus den Nachbarländern.

Ob eine Wiederholung des Urnengangs „durchsichtiger“ ablaufen würde, ist allerdings zu bezweifeln: Schon bei der letzten Wahl 2017 hat Odinga Einspruch erhoben, der Oberste Gerichtshof hat eine Wiederholung angeordnet. Amtsinhaber Uhuru Kenyatta ging dabei erneut als Sieger hervor – mit unwahrscheinlichen 98 Prozent der Stimmen.

William Ruto sitzt lächelnd in einem schwarzen Auto, während ein Mann in Anzug daneben steht.

William Ruto lässt sich als Wahlsieger feiern.

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