Höcke von Holocaust-Gedenkstunde ausgeschlossen

Umstrittener AfD-Fraktionschef ist wegen Kritik an "dämlicher Bewältigungspolitik" auch in KZ-Gedenkstätte Buchenwald nicht erwünscht. Höcke kündigte an, dennoch kommen zu wollen.

Der Thüringer Landtag hat den umstrittenen AfD-Fraktionschef Björn Höcke von einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus ausgeschlossen. Vor der Veranstaltung, an der am Freitag auch mehrere Überlebende von Konzentrationslagern teilnahmen, erklärte Landtagspräsident Christian Carius dem Rechtspopulisten, dass dessen Teilnahme als "Provokation" empfunden würde.

Die Thüringer AfD-Fraktion kritisierte Carius und sprach von einer "schäbigen Inszenierung" und einem "gravierenden Verstoß gegen die parlamentarischen Gepflogenheiten". Höcke sei vor Beginn der Veranstaltung zum Verlassen des Plenarsaals "genötigt" worden mit der Drohung, die Gedenkstunde werde ansonsten nicht beginnen. Dies sei eine "nicht hinzunehmende Grenzverletzung in der politischen Auseinandersetzung", erklärte die AfD-Fraktion.

Hintergrund sind HöckesÄußerungen zum Berliner Holocaustmahnmalund zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit bei einem Auftritt vergangene Woche in Dresden. Höcke hatte offensichtlich unter Anspielung auf das Holocaustmahnmal in Berlin von einem "Denkmal der Schande" gesprochen. Im Detail sagte er: "Wir Deutschen (...) sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Auf einer Veranstaltung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Dresden sprach er zudem von einer "dämlichen Bewältigungspolitik" und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

Deswegen hatte ihn auch die KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar von einer Veranstaltung mit Kranzniederlegung im Gedenken an die NS-Opfer am Freitagnachmittag demonstrativ ausgeladen. Nach Höckes Äußerungen sei dessen Teilnahme nicht akzeptabel, erklärte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora am Donnerstag.

"Es steht Ihnen schlicht nicht zu"

Höcke von Holocaust-Gedenkstunde ausgeschlossen
Lutz Truemper, mayor of Magdeburg, takes part in an hour of commemoration at the memorial for the victims of the KZ-Aussenlager Magda, a forced labour subcamp of the Buchenwald Nazi death camp, on January 27, 2017, the International Holocaust Remembrance Day. / AFP PHOTO / dpa / Peter Gercke / Germany OUT
Höcke will trotzdem kommen. In einem Brief an Stiftungsdirektor Volkhard Knigge erklärte er: "Es steht Ihnen schlicht nicht zu, zu entscheiden, wer für ein Verfassungsorgan an dieser offiziellen Gedenkveranstaltung teilnimmt und wer nicht." Deswegen werde er selbstverständlich am Freitag seiner Trauer um die Ermordung der deutschen und europäischen Juden Ausdruck verleihen.

Auch bei den KZ-Überlebenden stößt das auf Widerstand. "Die Überlebenden der Nazibarbarei und die Angehörigen der Ermordeten können nicht zulassen, dass die Bedeutung des Holocaust relativiert und das Andenken an die Opfer herabgewürdigt wird", sagte Bertrand Herz, Ehrenpräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos. "Wir wehren uns gegen das Erscheinen von Verharmlosern beim Gedenken an der Stätte unseres Martyriums."

Ein Specher der Gedenkstätte sagte am Freitag, man werde "der Situation angemessen reagieren". Mit seinen Äußerungen löste Höcke in ganz Deutschland Empörung aus.

Parteiinterner Streit über Rolle Höckes

Höcke von Holocaust-Gedenkstunde ausgeschlossen
Frauke Petry (R), top-candidate of the Alternative for Germany (AfD) party in the Saxony state election, hands over a baton to fellow party members during a news conference in Berlin September 1, 2014. Chancellor Angela Merkel's conservatives were poised to cling to power in Sunday's election in the east German state of Saxony but new right-leaning rival Alternative for Germany (AfD) made a breakthrough by winning its first seats in a state assembly. From left: Alexander Gauland, top candidates for the upcoming state election in Brandenburg, and Bjoern Hoecke, top candidate for the election in Thuringia. REUTERS/Fabrizio Bensch (GERMANY - Tags: POLITICS)
Über die Rolle Höckes gibt es parteiintern schon lange Streit. Petry versuchte immer wieder, ihn zu isolieren. Dem standen früher schon insbesondere Gauland und Poggenburg entgegen. Bereits nach dessen Aussagen zum "lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp" war Höcke Ende 2015 von der Parteispitze "nachdrücklich" aufgefordert worden, "zu prüfen, inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden".

Höcke schloss sich 2013 der neu gegründeten AfD, als er noch Gymnasiumslehrer war, an. 2014 ließ sich der Beamte beurlauben, um sich ganz der Politik zu widmen. Bei der Landtagswahl im September 2014 holte die AfD unter Höcke im ostdeutschen Bundesland Thüringen 10,6 Prozent. Höcke wurde Fraktionsvorsitzender. Dennoch organisierte er weiter Demonstrationen und beharrte darauf, die AfD müsse eine "Bewegungspartei" bleiben. Zu seinen schärfsten Kritikern im Parteivorstand zählen Parteichefin Frauke Petry, Alice Weidel und Dirk Driesang.

AfD gewinnt nach Höcke-Äußerung in Wählergunst

Die AfD hat unterdessen nach den Äußerungen des umstrittenen thüringischen Landeschefs Björn Höcke zum Holocaust-Mahnmal in Berlin in der Wählergunst zugelegt. In dem am Mittwoch veröffentlichten stern-RTL-Wahltrend verbesserte sich die rechtspopulistische deutsche Partei um einen Prozentpunkt auf zwölf Prozent. CDU und CSU büßen dagegen im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt ein auf 37 Prozent.

Höcke von Holocaust-Gedenkstunde ausgeschlossen
Bjoern Hoecke (C) of the anti-immigration party Alternative for Germany (AfD), watches a vote during the AfD congress in Stuttgart, Germany, April 30, 2016. REUTERS/Wolfgang Rattay
Die SPD bleibt bei 21 Prozent. Die Grünen legen einen Punkt zu auf zehn Prozent. Linke und FDP verharren bei neun beziehungsweise sechs Prozent. Etwas mehr als ein Viertel aller Befragten geben an, Nichtwähler oder unentschlossen zu sein.

Die Umfrage wurde von den Forsa-Meinungsforschern zwischen dem 16. und 20. Jänner erstellt. Institutschef Manfred Güllner sieht im Anstieg des AfD-Werts laut stern einen weiteren Hinweis darauf, "dass eine große Mehrheit der derzeitigen AfD-Anhänger rechtsradikale Positionen wie die von Höcke durchaus teilt". Eine weitere Umfrage habe ergeben, dass 62 Prozent aller Deutschen der Ansicht seien, Höcke habe sich endgültig als Sympathisant des Nationalsozialismus zu erkennen gegeben, darunter 23 Prozent der AfD-Anhänger. Forsa befragte 2.504 deutsche Bürger.

Auch gegen einen Richter in Deutschland wird ermittelt - wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Der 54-Jährige hatte vergangene Woche bei einer Veranstaltung der AfD-Jugend im ostdeutschen Dresden mit Blick auf die Verbrechen der Nazi-Zeit den "Schuldkult" für "endgültig beendet" erklärt.

Zudem sprach er von einer "Herstellung von Mischvölkern", die dazu dienten, "die nationalen Identitäten auszulöschen". Nach der Veranstaltung sei eine "Vielzahl" von Strafanzeigen eingegangen, sagte Oberstaatsanwalt Claus Bogner am Dienstag in Dresden. "Teilweise auch aus dem Ausland." Deshalb sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Nach seinem Auftritt am Dienstag vergangener Woche hatte das Landgericht Dresden bereits angekündigt, Disziplinarmaßnahmen gegen den Richter wegen Verstoßes gegen das Richtergesetz zu prüfen. Der 54-Jährige, der bei der Veranstaltung als Vorredner des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke auftrat, ist Mitglied der AfD und soll für die Partei auch als Kandidat bei der deutschen Bundestagswahl antreten. Auch gegen Höcke waren mehrere Strafanzeigen wegen Volksverhetzung erstattet worden.

Gegen den Fraktionsvorsitzenden der AfD in Thüringen läuft bei der Staatsanwaltschaft Dresden ein Prüfverfahren. Landtagsabgeordnete seien durch Immunität besonders geschützt, sagte Bogner. Sollte sich der Verdacht erhärten, werde die Staatsanwaltschaft das Einleiten von Ermittlungen beim Landtag beantragen.

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