Ukrainische Priester für Amtsenthebung von Patriarch Kyrill I.

Patriarch Kyrill I., Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche
Protest gegen russisch-orthodoxe Kirchenspitze. Weltkirchenrat könnte über Ausschluss Moskaus beraten.

Rund 260 ukrainisch-orthodoxe Geistliche des Moskauer Patriarchats fordern einen Kirchenprozess gegen den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I.. Ein Konzil solle das Moskauer Kirchenoberhaupt absetzen und Russlands Krieg gegen die Ukraine verurteilen, heißt es in einem von ihnen unterzeichneten Appell, den der Priester Andrij Pintschuk auf Facebook veröffentlichte. Kyrill I. habe mit seiner Unterstützung für den Krieg ein "moralisches Verbrechen" begangen und "die Doktrin der russischen Welt" gepredigt, "die nicht der orthodoxen Lehre entspricht".

Zur Buße ins Kloster

Es gebe auch einen Präzedenzfall in der russisch-orthodoxen Kirchengeschichte: Dem Moskauer Patriarchen Nikon sei 1666 sein Amt und auch die Bischofswürde aberkannt worden. Man habe ihn als "einfachen Mönch" zur Buße in ein Kloster geschickt.

Kyrill I. ist ein enger Verbündeter von Kreml-Chef Wladimir Putin. Russlands Krieg gegen die Ukraine rechtfertigte Kyrill I. Anfang März als "metaphysischen Kampf" des Guten gegen das Böse aus dem Westen. Vor einer Woche forderte er die Soldatinnen und Soldaten bei einem Gottesdienst in der Hauptkirche der Streitkräfte auf, ihren Eid zu erfüllen. Sie sollten bereit sein, ihr Leben für ihre Nächsten zu geben, wie es die Bibel besage. Im Ausland, besonders in der Ukraine, werden viele seiner Äußerungen zum Krieg scharf verurteilt.

Auch an anderer Front formiert sich Widerstand gegen Kyrill: Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK; Weltkirchenrat) wird nach Ansicht seines Generalsekretärs Mitte Juni über einen möglichen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche sprechen. Er könne der Entscheidung des zuständigen Zentralausschusses nicht vorgreifen, sagte Interims-Generalsekretär Ioan Sauca demr italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR. "Aber ich glaube, dass es eines der heißesten Themen auf dem Tisch sein wird", so der rumänisch-orthodoxe Theologe.

"Schock in der ökumenischen Welt"

Die Erklärungen von Patriarch Kyrill hätten "einen wahren Schock in der ökumenischen Welt" verursacht. Deswegen drängten einige Kirchen auf einen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche. Eine solche Entscheidung könne aber allein der Zentralausschuss fällen, allerdings "erst nach einer ernsthaften Anhörung, Besuchen und Dialogen mit den betroffenen Kirchen".

Im Gespräch mit SIR erinnerte der Theologe an den Fall der niederländischen reformierten Kirche in Südafrika. Diese hatte die Apartheid theologisch unterstützt, was zu heftigen Debatten und Verurteilungen durch andere ÖRK-Mitgliedskirchen führte. Am Ende aber habe sich diese Kirche selber aus dem ÖRK "ausgeschlossen", weil sie meinte, ihm nicht länger angehören zu können. Inzwischen sei diese Kirche wieder aufgenommen.

Im Weltkirchenrat vertreten sind vor allem evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen. Die römisch-katholische Kirche ist kein Vollmitglied, versteht sich aber als enger Partner des ÖRK.

Rund 60 Prozent der Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings im Wesentlichen zwei verschiedenen Kirchen an: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der Ende 2018 gegründeten eigenständigen (autokephalen) Orthodoxen Kirche der Ukraine. Die moskautreue Kirche zählt in der Ukraine zwar deutlich mehr Gemeinden als jede andere Konfession. Aber in Umfragen bekannten sich die meisten Bürger zur neuen, unabhängigen orthodoxen Kirche.

Kommentare