Ukraine: Russland spricht von Truppenabzug, USA sieht Verstärkungen

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Biden und Scholz waren sich im Telefonat einig: Bisher ist kein "signifikanter" Truppenabzug zu sehen.

Entgegen geäußerter erheblicher Zweifel der USA und der NATO hat Russland den Teilabzug seiner Truppen nahe der Ukraine bekräftigt. Nach dem Abschluss von Manövern seien Panzer des Wehrbezirks West zum Abtransport bereit gemacht worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau Donnerstag mit. Dazu veröffentlichte es ein Foto, dass die Kampffahrzeuge zeigen soll. Die US-Regierung hatte den von Moskau angekündigten Teilabzug zuvor als Falschinformation eingestuft.

Washington geht stattdessen nach eigenen Angaben von einem weiteren Ausbau der Militärpräsenz aus. In den "zurückliegenden Tagen" habe Russland rund 7.000 zusätzliche Soldaten in die Nähe der ukrainischen Grenze gebracht, sagte ein ranghoher Beamter des Weißen Hauses am Mittwochabend. Auch die NATO hatte bereits von einem russischen Truppenaufbau anstatt des angekündigten Teilabzugs gesprochen.

Unterdessen gingen mehrere russische Manöver weiter - unter anderem das im Nachbarland Belarus. Im Kaspischen Meer begann laut Verteidigungsministerium eine Marine-Übung mit 20 Schiffen. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die russische Darstellung eines teilweisen Truppenanzugs von der Grenzregion zurück. Der "Bild" sagte Selenskyj: "Wir glauben nicht, was wir hören, sondern nur das, was wir sehen."

Scholz telefoniert mit Biden

US-Präsident Joe Biden und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz riefen Russland am Mittwochabend erneut zu einer Deeskalation auf. Beide seien sich in einem Telefonat einig gewesen, dass "ein signifikanter Rückzug russischer Truppen" von der ukrainischen Grenze "bislang nicht zu beobachten" sei, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Das Risiko einer "weiteren militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine" bestehe fort. Russland müsse "echte Schritte zur Deeskalation einleiten".

Scholz unterrichtete Biden in dem Telefonat auch über sein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Dienstag in Moskau. "Beide begrüßten Äußerungen des russischen Präsidenten Putin, dass diplomatische Bemühungen fortgesetzt werden sollten", erklärte Hebestreit. Es komme darauf an, in einen konstruktiven Dialog zu Fragen der europäischen Sicherheit einzusteigen, zur Umsetzung der Minsker Abkommen zu gelangen und mit Unterstützung Deutschlands und Frankreichs im Normandie-Format voranzukommen.

Der "Schlüssel" dafür liege in Moskau. Im Falle einer weiteren militärischen Aggression gegen die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine habe Russland dagegen mit "außerordentlich gravierenden Konsequenzen" zu rechnen.

"Genozid" in der Ostukraine?

Das US-Außenministerium warf Russland unterdessen vor, mit unbegründeten Vorwürfen eines "Genozids" in der ostukrainischen Region Donbass einen Vorwand für einen Einmarsch in das Nachbarland schaffen zu wollen. Russische Medien hatten zuletzt Artikel und Fotos zu angeblichen Massengräbern in der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Region veröffentlicht. Putin hat in diesem Zusammenhang von einem "Genozid" gesprochen.

"Das sind falsche Schilderungen, die Russland entwickelt, um sie als Vorwand für ein militärisches Vorgehen gegen die Ukraine zu verwenden", sagte US-Außenamtssprecher Ned Price. "Diese Behauptungen basieren nicht auf der Wahrheit." Die USA haben Russland wiederholt vorgeworfen, einen Vorwand für einen Angriff auf das Nachbarland schaffen zu wollen - unter anderem mit einem Propagandavideo, das Opfer eines angeblichen ukrainischen Angriffs zeigen soll. Scholz hatte den Begriff des Völkermordes bereits am Dienstag bei seinem Moskau-Besuch zurückgewiesen. "Das ist ein heftiges Wort", meinte der deutsche Kanzler. "Es ist aber falsch - das, glaube ich, sollte man ganz klar sagen.

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