Zuletzt hat der Kreml sogar ein Video veröffentlicht, dass Entspannung signalisieren soll. Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow sitzen da an einem langen Konferenztisch, und der Präsident fragt seinen Außenminister, wie er denn die Chancen auf Kosens sehe. Dessen Antwort, im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt: "Unsere Möglichkeiten sind bei Weitem noch nicht erschöpft." In einem Statement gegenüber der Agentur RIA Novosti sagt er außerdem, dass eine Paketlösung mit dem Westen möglich sei - die NATO habe nämlich ihre Position zu den russischen Forderungen verändert.
Zweigleisige Strategie
Das widerspricht zwar der Kriegsrhetorik, die sonst im russischen TV en vogue ist, ist aber Teil der zweigleisigen Kommunikationsstrategie des Kremls - Beruhigung und Verunsicherung zugleich. Kurz nach der Ankündigung des Truppenabzugs wurde verkündet, dass die Duma Putin offiziell auffordert, die abtrünnigen Volksrepubliken im Donbass anzuerkennen. Das wäre ein glatter Bruch der Minsker Vereinbarungen und eine Einladung zur Eskalation.
Abseits aller Kameras sprechen die USA und Russland jedoch viel genauer über Konfliktfelder und Kompromisse, als öffentlich bekannt ist; in US- und britischen Medien wird berichtet, dass Washington der russischen Seite jetzt offenbar neue Vorschläge zur Lösung des Konflikts unterbreitet hat.
Allein, durchsickern lässt die Biden-Regierung nur, dass es Ideen gibt – welche das sind, lässt man bewusst offen, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Diverse US-Medien veranlasst dies schon zu Erinnerungen an die Kubakrise 1961, die durch eine vertrauliche Absprache zwischen dem Kreml und Robert Kennedy gelöst wurde.
Leise Hinweise
Eine Möglichkeit, um Entspannung zu erreichen, dürfte die Absage der NATO-Einladung an die Ukraine sein. Doch so einfach ist das freilich nicht: Die NATO hat eine Politik der offenen Tür, und von dieser Doktrin ist man eigentlich nicht gewillt abzuweichen. Darum wird jetzt darauf gehofft, dass die Ukraine selbst ihren Wunsch nach einer Mitgliedschaft aufgibt – manch aufmerksamer Beobachter will darauf jetzt schon Hinweise ausgemacht haben: Dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij am Montag bei seiner Pressekonferenz mit Olaf Scholz sagte, die NATO-Mitgliedschaft sei wie "ein Traum" für sein Land, wird mancherorts als Zurückweichen interpretiert. Ebenso eine Aussage des ukrainischen Botschafters in London, Wadim Prystajko, der in einem BBC-Interview erklärte, sein Land könnte unter dem Druck den Wunsch nach einem NATO-Betritt fallen lassen. Er korrigierte sich kurz später allerdings wieder.
Dies wäre wohl die simpelste Lösung für den aktuellen Konflikt – sowohl Putin als auch Biden würden ihr Gesicht wahren; und die USA gelten ohnehin nicht als großer Freund einer Erweiterung des Militärbündnisses Richtung Kiew. Nur die Ukraine selbst hätte einen herben Verlust zu beklagen. Dort ist die Bevölkerung mittlerweile – anders als nach der Krim-Annexion – nämlich mehrheitlich für einen Beitritt zur NATO. Der Glaube an Entspannung dort ist dementsprechend zögerlich: "Wir glauben erst an einen Abzug der Truppen, wenn wir ihn sehen", ließ Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag wissen.
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