Nach Lawrow-Drohung: "Atomwaffenangriff derzeit wenig wahrscheinlich“
Es bestehe die „echte Gefahr“ eines Atomkriegs, hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow Montagabend in einem TV-Interview gesagt. „Die Gefahr ist ernst, real. Und wir dürfen sie nicht unterschätzen.“
Ist das eine unverhohlene Drohung ? Oder nur Taktik?
Der dritte Weltkrieg - Wie wahrscheinlich ist er?
Für den Osteuropa-Experten Alexander Dubowy eindeutig Zweiteres. „Es gibt von Putin wesentlich deutlichere Äußerungen, die als Drohung aufgefasst werden können“, sagt er. Das gehöre zum Repertoire der Kriegsführung – und folge auch klassisch der russischen Nukleardoktrin, die den Einsatz von Atomwaffen regelt. „Bis zum Jahr 2000 war es so, dass Russland Atomwaffen nur im Falle eines Atomkriegs einsetzen hätte dürfen, jetzt ist das auch im Rahmen eins konventionellen Krieges – wie jenem in der Ukraine – möglich“, sagt er. Die Einschränkung: Der rote Knopf dürfe nur dann gedrückt werden, „wenn die Existenz Russlands bedroht ist“, sagt Dubowy.
"Rücken zur Wand“
Lawrows Aussage zeige deshalb ganz deutlich, dass „Putin mit dem Rücken zur Wand steht.“ Die Offensive im Donbass kommt nicht wunschgemäß voran, doch Putin „braucht einen Sieg“. Darum werde er wohl „auch einen geringen Erfolg als Sieg verkaufen“, vermutet der Experte.
Die Äußerungen Lawrows folgen deshalb dem Motto „eskalieren, um zu deeskalieren“, sagt Dubowy. Sie sollen eine Ausweitung des Konflikts verhindern, den Westen abschrecken. „Derzeit ist ein Atomwaffenangriff darum wenig wahrscheinlich. Nicht unwahrscheinlich, aber wenig wahrscheinlich.“
Der Westen dürfe sich deshalb von weiterer Unterstützung – vor allem von Waffenlieferungen – nicht abbringen lassen, sagt der Experte. „Russland will möglichst viel an ukrainischem Territorium besetzen, um eine neutrale Zone zu schaffen oder – das ist wahrscheinlicher – um es sich einzuverleiben. Je besser die ukrainischen Kräfte kämpfen, desto geringer ist der Preis, den die Ukraine und der Westen werden zahlen müssen.“
Eliten-Frage
Wo die rote Linie verlaufe, die Moskau zum Drücken des Atomknopfs verleitet, sei schwer zu sagen. „Die rote Linie existiert nur in Putins Kopf.“ Die große Frage sei darum, ob die Eliten rund um den Kremlchef eine nukleare Eskalation mittragen würden. Dafür sei der Kriegsverlauf sei entscheidend: „Je schlechter es in der Ukraine läuft, desto mehr Unterstützer braucht Putin im Inland“, sagt Dubowy. „Und je mehr Unterstützer er braucht, umso unwahrscheinlicher wird auch eine totale Diktatur Russlands durch seine Person.“
Diplomatische Lösung
Moskau werde darum – auch wenn es Kiew vorwirft, die Verhandlungen nur vorzutäuschen – weiter nach einer Verhandlungslösung suchen, sagt Dubowy. Das hat Lawrow übrigens in dem Interview auch gesagt: „Der Krieg wird mit einer Vereinbarung mit der Regierung in Kiew enden“, so Lawrow.
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