Oreschnik-Schlag? Moskaus mögliche Antwort nach Bomber-Desaster

Angriff auf russische Luftwaffenbasis
Mit einem Überraschungsschlag auf vier Luftwaffenstützpunkte trifft die Ukraine das strategische Herz der russischen Luftwaffe. Der Schaden ist enorm – die Antwort Moskaus offen.

Drohnen, die mehr als 4.000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt aus Lastwägen steigen, die Zäune und Flugabwehr-Einrichtungen verschiedener russischer Luftwaffenstützpunkte überwinden – und einige strategische Bomber der russischen Luftstreitkräfte zerstören oder unbrauchbar machen. Geräte im Wert von wenigen hundert Euro zerstören strategische Langstreckenbomber im Wert von zig Millionen Euro – Langstreckenbomber, die so leicht nicht zu ersetzen oder zu reparieren sind.

Schwerer Schlag

Es ist unbestreitbar, dass der ukrainische Geheimdienst mit seinem völlig überraschenden Angriff auf vier russische Stützpunkte am Sonntag dem Kreml einen schweren Schlag zugefügt hat. Weltweit werden künftige Generationen von Geheimdienstmitarbeitern von diesem Coup hören – und lernen. Ohne Zweifel ist der Ukraine mit diesem Angriff Spektakuläres gelungen, die Antwort aus Moskau dürfte jedoch nicht lange auf sich warten lassen.

Angriffe auf russische Militärflughäfen

Noch ist unklar, wie hoch der Schaden der russischen Luftwaffe tatsächlich ist. Kiew spricht von mehr als 40 Luftfahrzeugen, genauere Angaben werden sich erst nach Veröffentlichung neuer Satellitenbilder treffen lassen. Eine Schwächung ist es definitiv: Bei einer Flotte von etwa 120 strategischen/taktischen Bombern, die mit Luft-Boden-Raketen und Marschflugkörpern bestückt werden können und deren Modernisierung nur sehr langsam voranschreitet, schmerzen auch einzelne Verluste.

"Nukleare Triade"

Noch mehr ist der ukrainische Angriff ein Schlag gegen das russische Sicherheitsgefühl. In russischen sozialen Netzwerken schäumen die Kriegsblogger vor Wut – tatsächlich haben viele von ihnen häufig davor gewarnt, den Schutz der strategischen Bomber auch tief im Landesinneren nicht zu vernachlässigen.

Inwieweit der Schlag Einfluss auf den Krieg haben wird, hängt nun von der russischen Antwort ab. Denn nach wie vor verfügt Moskau über genügend strategische Bomber, um auch seine nukleare Drohkulisse aufrechterhalten zu können.

Die sogenannte „Nukleare Triade“ Russlands beinhaltet Bomber, U-Boote und Raketensilos, von denen aus Atombomben abgefeuert werden können. Wenngleich ein nuklearer Schlag Russlands derzeit unwahrscheinlich ist, dürfte der Kreml seine nukleare Drohkulisse als Antwort auf den ukrainischen Angriff verstärken. 

Etwa durch den Einsatz einer Oreschnik-Rakete. Diese hatten die russischen Streitkräfte bereits am 21. November auf die Stadt Dnipro abgefeuert, nachdem die ukrainischen Streitkräfte erstmals ATACMS-Raketen und Storm-Shadow-Marschflugkörper gegen Ziele auf russischem Territorium eingesetzt hatten.

Die „Oreschnik-Karte“

Mit einem solchen Einsatz könnte der Kreml einerseits Macht demonstrieren – die Ukraine dürfte über keine Abwehrmaßnahmen gegen die Oreschnik verfügen. Beim Angriff im November hatten die russischen Streitkräfte sechs Mehrfachsprengköpfe eingesetzt, die mit 12.000 Kilometern pro Stunde und mit jeweils sechs Submunitionen auf Dnipro schossen. Diese waren nicht mit konventionellen Sprengköpfen bestückt, der Schaden war verhältnismäßig gering.

Hier gäbe es also ein Eskalationspotenzial, ohne die nukleare Karte zu zücken. Die Oreschnik dürfte jedoch auch nuklear bestückt werden können. Daneben hat Russland aufgrund seiner hohen Shahed-Drohnenproduktion die Möglichkeit, die Ukraine mit immer verheerenderen Drohnenangriffen zu überziehen. Russland ist mittlerweile dazu in der Lage, binnen drei Tagen 300 Shahed-Drohnen zu produzieren. Das war 2024 nur innerhalb eines Monats möglich. Und auch am Boden wird der Krieg mit unverminderter Härte weitergehen, erhöhen die russischen Streitkräfte ihren Druck an der südlichen Donbass-Front.

Indes fand in Istanbul die zweite Runde der ukrainisch-russischen Friedensgespräche statt. Das Treffen wurde nach einer Stunde beendet, es soll ein weiterer Gefangenenaustausch vereinbart worden sein.

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