Trump nennt Putin "völlig verrückt" - dieser kann weiter auf Zeit spielen

„Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu Russlands Wladimir Putin, aber irgendetwas ist mit ihm passiert“, erklärte Donald Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social. „Er ist völlig verrückt geworden.“ Putin töte viele Menschen, das gefalle ihm nicht, so Trump. „Er tötet unnötigerweise eine Menge Menschen, und ich spreche nicht nur von Soldaten“, fuhr er fort.
Was will Trump?
Einmal mehr legte der US-Präsident auf ersten Blick eine rhetorische Kehrtwende ein – freilich nicht ohne zu betonen, dass auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij seinen Anteil daran habe: „Alles, was aus seinem Mund kommt, verursacht Probleme, das gefällt mir nicht, und das sollte besser aufhören“, schrieb Trump.
Wie immer nach einem derartigen Posting zerbrechen sich Experten die Köpfe darüber, ob dies nun eine tatsächliche Wende im Krieg ist oder Trump mit seiner Nachricht einen Weg sucht, die Rolle der USA weiterhin zu minimieren. Was zutrifft, wissen wohl nur Trump und seine Vertrauten.
Wie dürfte der russische Präsident weiter vorgehen? Was ist in den kommenden Monaten auf dem Schlachtfeld zu erwarten?
Was will Putin?
Nach Auswertungen von Satellitenfotos ist klar: Die russischen Streitkräfte haben Truppen und Gerät an den Grenzen zu den Oblasten Sumy und Charkiw zusammengezogen.
Putin selbst sprach vergangene Woche davon, eine „Pufferzone“ entlang der Grenze einrichten zu wollen – also wohl auch, ukrainische Truppen auf ukrainischem Boden zurückzutreiben, wie es Russland vor etwa einem Jahr in Charkiw getan hatte.
Parallel dazu rechnen ukrainische Militärs mit einer intensiven Sommeroffensive der Russen im Donbass. In den vergangenen Wochen haben die russischen Streitkräfte ihre Angriffe dort intensiviert, scheinen – unter hohen Verlusten – zwischen Toretsk und Pokrowsk durchzustoßen und Kurs auf die Stadt Kostjantyniwka zu nehmen (siehe Grafik). Gelingt ihnen das, ist Pokrowsk von einer weiteren Richtung aus bedroht. Zudem kämen die russischen Streitkräfte der Stadt Kramatorsk immer näher.

Spiel auf Zeit
Der Zweck dahinter? Russland ist nach wie vor davon überzeugt, die Zeit auf seiner Seite zu haben, und wird daher den Druck an der Front erhöhen. Mit der etwaigen Einnahme von Pokrowsk und Kramatorsk – vor allem bei Letzterem dürfte das noch eine lange Zeit dauern – hätte Russland fast alle großen Städte in Donezk besetzt.
Gleichzeitig ist es aus aktueller Sicht illusorisch, dass Russland alle vier Oblaste, die es fordert, in absehbarer Zeit erobern kann. 0,6 Prozent der ukrainischen Landfläche haben die russischen Streitkräfte im vergangenen Jahr erobert – unter massiven Verlusten.
Abnützungskrieg
Allerdings verläuft ein Abnützungskrieg nicht nach linearen Mustern. Irgendwann ist bei einer der beiden Seiten ein sogenannter Kulminationspunkt erreicht. Und in Anbetracht der aktuellen Situation ist das die Ukraine. Ein Beispiel geben die massiven russischen Drohnenangriffe der Nächte von Freitag bis Montag: Während Russland mittlerweile dazu in der Lage ist, binnen drei Tagen 300 Shahed-Drohnen zu produzieren (das war noch vergangenes Jahr nur innerhalb eines Monats möglich), gehen der ohnehin schwachen ukrainischen Flugabwehr die Abwehrraketen aus.
In dieser Situation wird Russland weiterhin auf seinen Forderungen beharren, die neben der Aufgabe der vier Oblaste und der Krim höchstwahrscheinlich auch eine prorussische Regierung in Kiew beinhalten. Das ist für Kiew – und auch den Großteil der Ukrainer – inakzeptabel. Die einzige Macht, die diesen russischen Druck verhindern kann, sind die USA. Wollte Trump, hätte er mit dem US-Senat ein Werkzeug, das den Druck auf Russland sofort erhöhen könnte: Der Trump-nahe Republikaner Lindsey Graham brachte mit 82 anderen Senatoren vergangenen Mittwoch einen Gesetzesvorschlag ein. Dieser würde unter anderem einen 500-prozentigen US-Zoll auf Waren aus Ländern, einschließlich China, erheben, die russisches Öl, Gas, Uran und andere Produkte kaufen.
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