Zahl der russischen Raketenangriffe mehr als verdoppelt
Tag 128 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:
Die Zahl der russischen Raketenangriffe auf Ziele in der Ukraine hat sich dem ukrainischen Militär zufolge in den vergangenen zwei Wochen mehr als verdoppelt. Dabei setze das russische Militär in über der Hälfte der Fälle ungenaue Geschosse aus Sowjetzeiten ein, sagt Brigadegeneral Oleksii Hromow. "Der Feind nimmt weiterhin Militäreinrichtungen, kritische Infrastruktur sowie Industrie und Transportnetzwerke ins Visier."
Wegen der Ungenauigkeit der Angriffe "erleidet die Zivilbevölkerung signifikante Verluste". Hromow zufolge wurden in der zweiten Juni–Hälfte 202 Raketen auf die Ukraine abgefeuert, ein Anstieg um 120 verglichen mit den ersten zwei Wochen des Monats.
Tote in Odessa
In der südukrainischen Region Odessa wurden bei einem Raketenangriff nach ukrainischen Angaben mindestens 19 Menschen in einem Wohngebäude getötet. Mindestens 39 Menschen wurden offenbar verletzt.
Der Sprecher der Regionalverwaltung von Odessa, Serhij Bratschuk, sagte in der Nacht auf Freitag, die Rakete sei von einem über dem Schwarzen Meer fliegenden Flugzeug aus abgefeuert worden.
Selenskij: Schlangeninsel strategisch wichtig
Während Russland in der Ostukraine weiter seine militärische Überlegenheit ausspielt, kann Kiew über die Rückeroberung der symbolträchtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer jubeln.
Der russische Rückzug von der Schlangeninsel bringt die Ukraine nach Worten von Selenskij in eine bessere Position. „Die Schlangeninsel ist ein strategischer Punkt und das verändert erheblich die Situation im Schwarzen Meer“, sagte er in der Nacht zum Freitag in seiner täglichen Videoansprache.
Die Handlungsfreiheit des russischen Militärs werde dadurch deutlich eingeschränkt - auch wenn dies noch keine Sicherheit garantiere.
Dass sich die Russen von der Schlangeninsel zurückgezogen haben, ist nach Erkenntnissen des britischen Geheimdienstes nicht etwa eine "Geste des guten Willens", wie der Kreml behauptet hat, sondern das Ergebnis einer zunehmenden Isolation und Verwundbarkeit der dort stationierten russischen Garnison für ukrainische Angriffe.
Russland hatte die Schlangeninsel kurz nach dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar besetzt. Dass davor die wenigen ukrainischen Soldaten dem später gesunkenen russischen Kreuzer „Moskwa“ in obszönen Worten empfahlen, sich zum Teufel zu scheren, machte das kleine Eiland berühmt und stärkte die Moral der Ukrainer. Damit ist die Rückeroberung der Insel für sie auch ein symbolischer Erfolg.
Nach ukrainischen Militärangaben erlaubt die Schlangeninsel die Kontrolle über Teile der ukrainischen Küste und Schifffahrtswege. Mit dem Rückzug der Russen von der Insel müsse das Gebiet um die Hafenstadt Odessa keine Landung russischer Einheiten vom Meer her befürchten.
Kämpfe um Raffinerie westlich von Lyssytschansk
Im ostukrainischen Gebiet Luhansk sind die regierungstreuen Truppen in Lyssytschansk nach eigenen Angaben akut von einer Einschließung bedroht. Die knapp sieben Kilometer westlich der Stadt gelegene Raffinerie sei umkämpft, teilte der Generalstab mit. Russische Truppen rückten aus dem Süden auf die Stadt vor, auch an der westlichen und südlichen Stadtgrenze werde gekämpft. In russischen Medien wurde die Raffinerie bereits als komplett erobert dargestellt.
Lyssytschansk ist der letzte größere Ort im Luhansker Gebiet unter ukrainischer Kontrolle. Zuletzt konnte er nur noch über wenige Versorgungsrouten aus dem Westen mit Nachschub versorgt werden.
Im benachbarten Donezker Gebiet seien russische Vorstöße bei Slowjansk und Bachmut zurückgeschlagen worden, teilte der Generalstab mit. Entlang der gesamten Frontlinie würden ukrainische Stellungen kontinuierlich mit Artillerie beschossen und aus der Luft bombardiert. „Die Überlegenheit der Besatzer bei der Feuerkraft ist extrem spürbar“, sagte Selenskij zur Lage im Osten. Russland greife dafür auf seine Reserven zurück.
Selenskij: Strom aus Ukraine kann russisches Erdgas ersetzen
Der ukrainische Präsident warb bei europäischen Ländern dafür, Strom aus der Ukraine zu beziehen. Damit könne ein erheblicher Teil der Erdgaslieferungen aus Russland ersetzt werden, sagte er. Seit Donnerstag liefert die Ukraine Strom nach Rumänien. „Wir sind bereit, das Angebot auszubauen“, sagte Selenskij.
Die Ukraine hatte sich Ende Februar vom ehemals sowjetischen Stromnetz abgekoppelt und zusammen mit Moldau im März mit dem europäischen Stromnetz synchronisiert. Bereits vergangene Woche bot Kiew Deutschland den Export von ukrainischen Atomstrom an. Über die Hälfte der Stromproduktion der Ukraine stellen vier Atomkraftwerke sowjetischer Bauart sicher.
Russische Zugverbindung zwischen Krim und besetzten Gebieten später
Russland verschob den für Freitag angekündigten Start einer Zugverbindung zwischen der 2014 annektierten Halbinsel Krim und den im Krieg besetzten ukrainischen Städten Cherson und Melitopol. Die prorussischen Krim-Behörden verwiesen auf Sicherheitsbedenken.
Busverbindungen sollen aber wie angekündigt verfügbar sein. Russland versucht, unter anderem mit der Ausgabe russischer Pässe und der Einführung des Rubels als Währung seine Kontrolle über die im Krieg besetzten Gebiete zu zementieren.
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