Wenn es zu einem Friedensschluss kommen sollte, der Putin auch nur einen Quadratmeter ukrainischen Staatsgebietes zuschlagen würde (und das wird unausweichlich sein), hätte Putin der Welt gezeigt, dass Grenzen wieder mit Waffengewalt verschiebbar sind. Der russische Angriff auf die Ukraine hat den jahrzehntelangen Irrglauben gebrochen, dass konventionelle Kriege der Vergangenheit angehörten. Er ist der Beginn einer sicherheitspolitischen Zeitenwende – ob es der neutrale Österreicher nun will oder nicht.
Dass die NATO auf ihrem Gipfel eine historische Verstärkung ihrer Eingreiftruppen sowie eine Überarbeitung ihrer Verteidigungsstrategie plant, ist angesichts dieser Zäsur notwendig. Eine Verachtfachung der rasch einsatzbereiten Soldaten wird jedes ihrer Mitglieder vor große Herausforderungen stellen. Gleichzeitig ist es nicht ausgeschlossen, dass 2024 ein US-Präsident an die Macht kommt, der der internationalen Zusammenarbeit eine Absage erteilt. Dennoch ist dieser NATO-Gipfel ein Anfang. Eine wichtige Antwort auf die russische Aggression. Es mag sein, dass sich Russland durch die NATO-Osterweiterung "provoziert" gefühlt hat. Doch den Krieg begonnen hat Putin – und niemand anderer. Dass nun Schweden und Finnland einen sicherheitspolitischen Schwenk vollzogen haben, ist ebenso sein Verdienst.
Es wird lange genug dauern, ehe die Mitgliedsstaaten ihr militärisches Gerät modernisiert, ihre Einheiten auf einen geeigneten Ausbildungsstand an neuen Waffensystemen gebracht haben werden. Die Kritik wird auf dem Fuße folgen: Warum Panzer ankaufen, wenn die Wirtschaft leidet? Was sollen wir mit Kampfjets, wenn wir eine Pflegereform benötigen? Und was ist mit dem Klimaschutz? Die harte Antwort, die Politiker auf diese berechtigten Fragen geben werden müssen: "Wir haben für die Sicherheit unserer Bürger zu sorgen. In diesen Zeiten kann nur eine starke Verteidigungspolitik den Grundstein für eine nachhaltige Entwicklung in unserem Land legen."
Auch in Österreich werden diese Worte notwendig sein. Während die meisten Länder aufrüsten, muss das Bundesheer erst einmal nachrüsten, um auf einen Stand zu kommen, der den Begriff "Militärische Landesverteidigung" legitimiert. Es ist höchste Zeit.
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