Schneefälle: Angriffe auf Bachmut ausgebremst + Russische Winteroffensive gescheitert

Russische Panzer werden von Großbritannien genau inspiziert.
Russland hat sein Ziel, die Kontrolle über die Donbass-Region zu erlangen, verfehlt. In Russland beginnt die nächste Einberufungskampagne.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben weitere Angriffe auf die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut abgewehrt.

"In den vergangenen 24 Stunden haben unsere Verteidiger gegnerische Attacken im Bereich der Ortschaften Bohdaniwka und Iwaniwske zurückgeschlagen“, teilte der ukrainische Generalstab am Samstag mit.

Beide Ortschaften liegen an wichtigen Zufahrtsstraßen nach Bachmut. Schon zuvor hatten russische Quellen von massiven Schneefällen berichtet, die das Vorankommen der angreifenden Truppen beeinträchtigten.

"Die Verschlechterung des Wetters erschwert die Führung aktiver Handlungen“, klagte der russische Militärexperte Boris Roschin in der Nacht zum Samstag. Auf Bildern und Videos aus der Gegend ist massiver Schneefall und eine dicke Schneedecke zu sehen.

Das Wetter ist ein wichtiger Faktor im Kriegsgeschehen. So wird in den kommenden Wochen auch eine ukrainische Gegenoffensive erwartet. Dazu müssen Experten zufolge aber zunächst einmal die Böden trocknen, weil die schweren Militärfahrzeuge sonst teils im Schlamm steckenbleiben könnten.

Seit Monaten ist Bachmut schwer umkämpft. Die russischen Angreifer haben die inzwischen völlig zerstörte Stadt inzwischen von drei Seiten umfasst und kontrollieren nach eigenen Angaben etwa 70 Prozent des Stadtgebiets.

Bachmut ist Teil der Verteidigungslinie vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk, den letzten großen Städten, die die Ukraine im Gebiet Donezk noch hält. Für Russland ist die Eroberung Bachmuts wichtig, um das Kriegsziel der Eroberung des ostukrainischen Donbass-Gebiets zu erreichen.

Winteroffensive gescheitert

Russlands Bemühungen um eine stärkere militärische Kontrolle über den Donbass sind nach britischen Angaben gescheitert.

Seit der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow Mitte Jänner das Kommando über die "militärische Spezialoperation" gegen die Ukraine übernommen habe, sei dessen Amtszeit von dem Versuch einer allgemeinen Winteroffensive geprägt gewesen, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Samstag in seinem Geheimdienst-Update.

Ziel dieser Offensive sei gewesen, die russische Kontrolle über die gesamte Donbass-Region auszudehnen. "Nach 80 Tagen ist zunehmend erkennbar, dass dieses Projekt gescheitert ist", erklärten die Briten.

Die russischen Streitkräfte an der Front in der Region hätten bei hohen Verlusten nur minimale Gewinne verzeichnen können.

Damit hätten sie den vorübergehenden personellen Vorteil durch die russische "Teilmobilisierung" des vergangenen Herbsts weitgehend verspielt.

Russland beginnt Einberufungskampagne

Vor dem Hintergrund des seit mehr als einem Jahr anhaltenden Angriffskriegs gegen die Ukraine hat in Russland am Samstag die Einberufungskampagne zum Grundwehrdienst begonnen.

Die erste der beiden Kampagnen in diesem Jahr dauert bis zum 15. Juli, berichtete das Portal RBK am Samstag unter Berufung auf ein Dekret von Kremlchef Wladimir Putin.

Laut Konteradmiral Wladimir Zimljanski vom Generalstab wurden insgesamt 700.000 potenziell Wehrpflichtige im Vorfeld erfasst.

Nicht für Ukraine-Krieg

Die Einberufenen, dieses Mal 147.000, sollen aber nicht für den Krieg in der Ukraine eingesetzt werden, versicherte er.

Zimljanski sagte am Freitag, dass die Einberufungen der Kreiswehrersatzämter erstmals auch elektronisch verschickt würden.

Wo das nicht möglich sei, werde der Bescheid weiter persönlich ausgehändigt. Derweil streitet die Politik über die Gültigkeit der elektronischen Benachrichtigung: Dem Vizechef des Verteidigungsausschusses in der Staatsduma, Juri Schwytkin, zufolge ist eine solche Benachrichtigung gleichbedeutend mit dem Einberufungsbescheid.

Hingegen erklärte Viktor Bondarew, der Chef des Verteidigungsausschusses im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments, dass solche E-Mails "keine Einberufungsbescheide sind".

Selenskij fordert Gerechtigkeit

Mit Blick auf die durch den russischen Angriffskrieg verursachten Opfer und Zerstörungen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij für sein Land nachdrücklich Gerechtigkeit gefordert.

"Gerechtigkeit für unseren Staat, für all unsere Menschen, die wegen der russischen Aggression, wegen des Terrors der Besatzer ihre Verwandten, ihre Freunde, ihre Gesundheit, ihr Zuhause und ihr normales Leben verloren haben“, sagte er am Freitag in seiner abendlichen Videoansprache.

Selenskij hatte am Freitag im Kiewer Vorort Butscha mit internationalen Gästen der Opfer der kurzen russischen Besatzungszeit gedacht.

Am Gedenken nahmen die moldauische Präsidentin Maia Sandu und die Regierungschefs der Slowakei, Sloweniens und Kroatiens - Eduard Heger, Robert Golob und Andrej Plenkovic - teil.

Nach ihrem Einmarsch vor gut 13 Monaten eroberten russische Truppen Anfang März 2022 die Kleinstadt Butscha bei Kiew. Am 30. März zogen sie wieder ab.

Drei Tage später sorgten veröffentlichte Bilder von gefesselten Leichen von Zivilisten international für Entsetzen. Butscha gilt weltweit als Symbol für russische Kriegsverbrechen.

Mit seinen Gästen hielt Selenskij am Nachmittag eine Konferenz von „United for Justice“ (Vereint für Gerechtigkeit), bei der die Ukraine Unterstützung für die Verfolgung russischer Kriegsverbrechen sammeln will. „Und der Tag wird kommen, an dem die Welt hören wird, dass die Gerechtigkeit für die Ukraine wiederhergestellt wurde“, kündigte Selenskij an.

Selenskij über mögliches Kriegsende

Bei seinem Treffen mit den ausländischen Staats- und Regierungschefs bekräftigte Selenskij seine Vorstellung einer Friedenslösung. Zunächst müsse ein Vertreter Russlands - wer auch immer das dann sein möge, wisse er nicht - alle Truppen kampflos aus allen Gebieten der Ukraine abziehen.

"Dann beginnt das diplomatische Format“, wurde Selenskij von den ukrainischen Medien zitiert.

Sollte die Ukraine aber gezwungen sein, alle Russen mit Gewalt zu vertreiben, dann gebe es angesichts der vielen Opfer nichts zu reden. „Worüber sollte man dann mit solchen Menschen überhaupt sprechen?“

Russland weist Vorwurf der Kindesverschleppung zurück

Der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensja hat die Vorwürfe der Ukraine und des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zurückgewiesen, sein Land verschleppe Kinder aus der Ukraine.

Vielmehr seien sie in Einklang mit dem internationalen humanitären Recht und der UNO-Kinderrechtskonvention aus Kampfgebieten evakuiert worden, sagte Nebensja der Nachrichtenagentur TASS in einem am Freitag veröffentlichten Interview.

"Auf diese Weise wurden Millionen von Menschen evakuiert, darunter auch Kinder, die in der überwiegenden Zahl der Fälle zusammen mit ihren Eltern, Vormündern und Bevollmächtigten russisches Staatsgebiet erreichen."

Eine kleine Zahl von Kindern seien in Waisenheimen oder ohne elterliche Aufsicht gefunden worden, sagte Nebensja weiter.

Dann sei besonderer Wert darauf gelegt worden, die Minderjährigen "in Familien von Blutsverwandten in Russland" unterzubringen. Es sei "absichtlich irreführend" vom Westen, von einer Adoption dieser Kinder zu reden. Vielmehr handle es sich um eine vorläufige Vormundschaft. Zudem verhindere Russland nicht, dass die Kinder Kontakt zu Verwandten und Freunden aufnehmen.

Die Eltern könnten sich an die russische Kinderkommissarin Maria Lwowa-Belowa wenden. Bisher seien auf diese Weise 15 Kinder aus acht Familien mit ihren Eltern wiedervereint worden.

Die Ukraine untersucht nach eigener Darstellung die Verschleppung von mehr als 19.000 Kindern. Der IGH wirft Russlands Präsident Wladimir Putin und Lwowa-Belowa eine Deportation insbesondere von Kindern aus der Ukraine vor, was ein Kriegsverbrechen wäre.

Die russische Regierung hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Nach ihrer Darstellung haben Millionen von Menschen aus der Ukraine sich dazu entschlossen, nach Russland umzusiedeln.

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