"Prigoschins Stern verblasst": Moskau nimmt Wagner-Chef an die Kandare

"Prigoschins Stern verblasst": Moskau nimmt Wagner-Chef an die Kandare
Jewgeni Prigoschin, dem Chef der Söldnergruppe, werden Ambitionen auf politische Ämter nachgesagt. Der Kreml scheint davon wenig zu halten.

Im Brennpunkt der Kämpfe im Osten der Ukraine stehen Söldner der russischen Wagner-Gruppe an vorderster Front. Immer wieder rennen sie gegen die ukrainischen Stellungen in Bachmut im Donezk an.

Nach Kiewer Angaben erleiden die Söldner dabei schwere Verluste. Ihr Chef Jewgeni Prigoschin wird nicht müde, die seiner Ansicht nach herausragende Rolle seiner Privatarmee in dem Krieg zu preisen.

Putins Koch

Der wegen Diebstahls verurteilte Unternehmer galt lange Zeit als Protegé und Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. Er richtete Anfang der 2000er Jahre Bankette und Feste für den Präsidenten aus und wurde als "Putins Koch" bekannt.

In Russland ist der 61-Jährige zu einer führenden Stimme unter den Kommentatoren des Krieges geworden, der sich zudem Spitzen gegen Vertreter der regulären Armee erlaubt hat. Westliche Beobachter begannen bereits zu spekulieren, Prigoschin strebe eine politische Karriere an.

Doch nun mehren sich die Anzeichen, das der Kreml das wachsende politische Gewicht des Söldnerführers einschränken will.

"Prigoschins Stern verblasst": Moskau nimmt Wagner-Chef an die Kandare

Rekrutierung von Häftlingen

Großes Aufsehen erregte Prigoschin vergangenes Jahr mit der Rekrutierung von Straftätern aus russischen Gefängnissen für seine Söldnertruppe. Damit sicherte er sich stetigen Ersatz für gefallene Kämpfer. Vergangene Woche räumte er nun ein, dass er nicht mehr Häftlinge anwerben darf.

Die Chefin einer Initiative für die Rechte von Häftlingen, Olga Romanova, sagte Reuters, das Verteidigungsministerium habe die Rekrutierung von Sträflingen Anfang dieses Jahres übernommen. Das Ministerium nahm keine Stellung zu diesen Angaben.

Kreml will Prigoschin nicht in der Politik

Der ehemalige Regierungsberater Sergej Markow, der sich guter Kontakte rühmt, sagte Reuters, der Kreml wolle Prigoschin nicht in der Politik sehen. "Sie haben ein wenig Angst vor ihm und halten ihn für eine unbequeme Person."

Diese Einschätzung teilt auch die Kreml-Spezialistin Tatiana Stanowaja. In einem Beitrag für die Carnegie Endowment for International Peace schrieb sie, zwar stehe ein Sturz Prigoschins nicht bevor.

Aber seine Verbindungen zur Präsidialverwaltung begännen zu bröckeln. Demnach sind Prigoschins demagogische Auftritte führenden politischen Kreisen schlecht aufgestoßen.

Die verbalen Angriffe des 61-Jährigen auf Behörden und Militärvertreter sowie auf Mitarbeiter von Putin kamen demnach schlecht an - besonders die Drohung, eine Partei zu gründen. "Er hat sich zusehends in einen Politiker mit eigenen Ansichten verwandelt", urteilt Stanowaja.

Markow zufolge hat Prigoschin bereits eingelenkt. Dies sei offenbar auch auf Druck hin geschehen. "Die Botschaft lautet: Wir werden dir militärische Mittel zur Verfügung stellen, aber mische dich vorerst nicht in die Politik ein", sagte Markow. Prigoschin selbst versicherte kürzlich in einem Interview, er habe keinerlei politische Ambitionen.

Markow vermutet, dass Putin selbst Prigoschin bei einem Treffen um den 14. Jänner herum in St. Petersburg aufgefordert hat, die öffentliche Kritik an der Führungsspitze einzustellen. Der ehemalige Regierungsberater räumt ein, nicht alle Einzelheiten des mutmaßlichen Treffens zu kennen. Reuters konnte seinen Angaben zunächst nicht verifizieren. Allerdings wurde das Treffen in St. Petersburg von mindestens einem Teilnehmer bestätigt, der in sozialen Medien darüber berichtete. Offiziell will sich die russische Regierung nicht dazu äußern.

Hinweise auf ein geändertes Verhalten gab Prigoschin selbst bei einem Interview vergangenen Freitag. In die Kamera blickend versicherte er, niemanden kritisiert zu haben. Dabei hat er vergangenes Jahr mehr oder weniger unverhohlen führende Militärs verspottet.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Prigoschin an die Kandare genommen wurde, findet sich in dem der Wagner-Gruppe nahestehenden sozialen Netzwerk Grauzone. Dort wurde ein Dokument veröffentlicht, das den Anschein einer staatlichen Anweisung für die Presse macht.

Den Empfängern des Schriftstücks wird geraten, Prigoschin oder Wagner nicht mehr namentlich zu erwähnen und stattdessen allgemeine Beschreibungen zu nutzen.

"Prigoschins Stern verblasst"

Reuters konnte das Dokument nicht verifizieren. Staatliche Medien dürfen solche Leitlinien nicht weitergeben. Markow bestätigte die Anweisung, auf Werbung für den Söldnerführer zu verzichten. "Sie betonten: 'Wir verbieten Sie nicht, aber es ist besser, wenn Sie es nicht tun'."

Dass Prigoschin ein deutlicher Dämpfer versetzt wurde, glaubt auch der Chef der US-Denkfabrik Silverado Policy Accelerator, Dmitri Alperowitsch. Er habe das Gefühl, dass Prigoschins Handlungsspielraum immer kleiner werde. "Prigoschins Stern verblasst. Er hat es mit seiner Kritik am Militär und anderen Eliten zu weit getrieben", twitterte Alperowitsch. "Jetzt werden ihm die Flügel gestutzt."

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