Russisches Munitionslager brennt noch immer

Russisches Munitionslager brennt noch immer
Gleichzeitig heftige Artillerieangriffe auf ukrainische Stützpunkte und Städte.

Tag 139 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: 

Noch immer explodieren Bomben und Raketen im getroffenen russischen Munitionslager in Nova Kakhovka. Am Montag schlugen dort Raketen des hochmodernen Artilleriesystems HIMARS ein, das die USA kürzlich an die Ukraine geliefert hatten. Acht dieser Systeme sollen derzeit im Einsatz sein, seit Anfang Juli gelangen den ukrainischen Streitkräften damit einige erfolgreiche Angriffe auf Munitionsdepots oder hochrangige russische Offiziere.

Nichtsdestotrotz setzen die russischen Streitkräfte ihre Artillerieangriffe auf die Fronten westlich von Cherson und am Donbass unvermindert fort, auch gegen Charkiw feuerten sie Dienstagfrüh eine große Anzahl an Raketen.

Einen Bodenangriff 22 Kilometer nordöstlich von Charkiw konnten die ukrainischen Streitkräfte eigenen Angaben zufolge abwehren - dennoch rechnet Kiew mit einer baldigen, erneuten Großoffensive Russlands. Gleichzeitig spricht der ukrainische Verteidigungsminister von einer "Millionen-Armee", die südliche Gebiete der Ukraine befreien soll:

Die Vereinigten Staaten haben indes Hinweise, wonach der Iran Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen will. "Unsere Informationen zeigen, dass die iranische Regierung sich darauf vorbereitet, schnell mehrere Hundert unbemannte Luftfahrzeuge bereitzustellen, darunter auch solche, die Waffen transportieren können", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Montag in Washington.

Iran werde auch Russen ausbilden, diese umgangssprachlich oft als Drohnen beschriebenen Luftfahrzeuge einzusetzen, sagte Sullivan weiter. Ein solches Training könne laut US-Kenntnissen bereits Mitte Juli beginnen. Es sei aber unklar, ob schon bereits solche Waffen geliefert worden seien. Sullivan deutete die Informationen als Hinweis darauf, dass die Kriegsfortschritte Russlands im Osten der Ukraine Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung eigener Waffenbestände hätten.

Zahl der Toten in Tschassiw Jar steigt auf über 30 

Nach dem russischen Raketenangriff auf Tschassiw Jar im ostukrainischen Gebiet Donezk ist die Zahl der aus einem zerstörten Wohnhaus geborgenen Toten auf 31 gestiegen. Neun Menschen seien seit dem Wochenende lebend aus den Trümmern gerettet worden, erklärte der ukrainische Zivilschutz.

Am Abend meldete die Ukraine dann den Beschuss der Hafenstadt Odessa. "Heute Abend gab es einen weiteren Raketenangriff. Glücklicherweise gab es keine Verletzten", sagte Maxim Marchenko, Gouverneur der Region Odessa laut Nachrichtenagentur Ukrinform.

Er erklärte, dass im Laufe des Tages russische Kampfflugzeuge, die über dem Schwarzmeergebiet operierten, Raketen auf Odessa abfeuerten, von denen eine ein Privathaus traf. Andere Raketen hätten Infrastruktureinrichtungen wir das Hafengelände beschädigt. Marchenko betonte, die Angreifer hätten es gezielt auf zivile Objekte abgesehen, da sich dort kein militärisches Personal befinde.

Russia's attack on Ukraine continues, in Donetsk region

Bombardierungswelle

Der ukrainische Generalstab hatte Montagfrüh mitgeteilt, dass eine regelrechte Bombardierungswelle begonnen habe, die bereits mehrere Städte im Osten getroffen habe. Massiv angegriffen wurde aber auch die Stadt Charkiw außerhalb des Donbass, es soll drei Tote geben.

Man erwartet, dass die russischen Streitkräfte eine Großoffensive in Donezk vorbereitet. Der Donbass ist ein von Industrie geprägtes Gebiet im Osten der Ukraine, in dem bereits seit 2014 von Russland unterstützte Separatisten weite Teile kontrollieren.

Im Süden bereiten die ukrainischen Streitkräfte unterdessen selbst eine Gegenoffensive vor. Vize- Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk rief am Sonntag die Zivilbevölkerung in der von Russland besetzten Region Cherson auf, diese zu verlassen. "Ich weiß mit Sicherheit, dass dort keine Frauen und Kindern sein und dass sie nicht zu menschlichen Schutzschilden werden sollten", sagte Wereschtschuk im Fernsehen. Wann die Gegenoffensive beginnen könnte, ließ sie offen.

Massenflucht aus dem Donbass

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor viereinhalb Monaten sind nach Behördenangaben allein aus dem regierungskontrollierten Teil der umkämpften Region Donezk im Osten der Ukraine rund 1,3 Millionen Menschen geflohen.

Laut Gouverneur Pawlo Kyrylenko entspricht das etwa 80 Prozent der Zivilbevölkerung. Seit Russland die Kontrolle über die Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert.

Nord Stream 1: Kritik von Selenskij

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat die geplante Lieferung einer gewarteten russischen Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 scharf kritisiert. "Wenn ein terroristischer Staat eine solche Ausnahme bei den Sanktionen durchsetzen kann, welche Ausnahmen will er dann morgen oder übermorgen? Diese Frage ist sehr gefährlich", so Selenskij in einer Videobotschaft. "Und gefährlich nicht nur für die Ukraine, sondern auch für alle Länder der demokratischen Welt."

Das russische Staatsunternehmen Gazprom hat die Liefermenge durch Nord Stream 1 im Juni deutlich gedrosselt und auf die fehlende Turbine verwiesen, die zur Reparatur in Kanada war. Eine Regierungssprecherin sagte am Montag in Berlin, die Lieferung der Turbine falle nicht unter die EU-Sanktionen, weil diese sich aus gutem Grund nicht gegen den Gastransit richteten.

Selenskij sagte, die Entscheidung über eine "Ausnahme bei den Sanktionen" werde in Moskau als "Manifestation der Schwäche" wahrgenommen. "Das ist ihre Logik. Und jetzt besteht kein Zweifel daran, dass Russland versuchen wird, die Gaslieferungen nach Europa nicht nur so weit wie möglich einzuschränken, sondern im akutesten Moment vollständig einzustellen", sagte der ukrainische Präsident. "Darauf müssen wir uns jetzt vorbereiten, das wird jetzt provoziert."

Jedes Zugeständnis werde von der russischen Führung als Anreiz für weiteren, stärkeren Druck wahrgenommen, sagte Selenskij. "Russland hat sich im Energiesektor nie an die Regeln gehalten und wird es auch jetzt nicht tun, es sei denn, es sieht Stärke."

Putin ordnet einfachere Vergabe russischer Pässe an

Menschen in der Ukraine sollen künftig in einem vereinfachten Verfahren die russische Staatsbürgerschaft erhalten können. Russlands Präsident Putin unterschrieb ein Dekret, das eine Ausweitung der bislang nur für die Ostukraine geltenden Regelung vorsieht. Kiew protestierte scharf dagegen.

Die Vergabe russischer Pässe ist auch deshalb brisant, weil Russlands Militärdoktrin Einsätze rechtfertigt, wenn es um den angeblichen Schutz eigener Staatsangehöriger geht.

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