Botschafter über salutierende Kicker: "Türken sind eben emotional"
Im Ton – ganz Diplomat der alten Schule – verbindlich, in der Sache aber knallhart und als Botschafter seines Heimatlandes Türkei in Österreich gänzlich auf Regierungslinie. Im großen KURIER-Interview verteidigt Ümit Yardim die Offensive der türkischen Streitkräfte in Nordsyrien und dreht den Spieß immer wieder um.
„Wir müssen entlang der Grenze einen 420 Kilometer langen und 30 bis 35 Kilometer breiten Streifen schaffen, um die dortigen Terroristen zu verjagen“, rechtfertigt er die Operation „Friedensquelle“.
Unter Terroristen versteht der 58-Jährige die in der fraglichen Region aktiven Kurden-Rebellen der YPG, die er mit der in der Türkei aktiven Guerilla PKK gleichsetzt, sowie den „Islamischen Staat“ (IS).
IS vor neuer Stärke
Dass der IS nun wieder erstarken könnte, weil kurdische Verbände den Kampf gegen den IS eingestellt haben und die inhaftierten Dschihadisten nur noch dürftig bewachen können, sei ausschließlich der YPG/PKK anzulasten. „Jetzt zeigen sie ihr wahres Gesicht, der Mythos ist zerbrochen. Sie sind in Wahrheit nie gegen den IS vorgegangen. Das war pure Propaganda, um unter diesem Deckmantel Waffen zu erhalten und ein Drittel Syriens zu erobern.“ Auf Medienberichte, wonach mit der Türkei verbündete Einheiten IS-Gefangene in Nordsyrien bewusst befreit hätten, geht Yardim nicht ein.
Ethnische Säuberungen?
Auf Vorwürfe, Ankara wolle in der Region die ethnische Landkarte verändern – Kurden raus, Araber und Turkmenen rein – geht der Botschafter in die Offensive: „Die PKK hat das bisher getan, indem sie Nicht-Kurden oder Kurden, die nicht auf der Seite der PKK stehen, vertrieben hat. Diese ,Säuberungen’ zu beenden, ist ein weiteres Ziel der Militäraktion.“
Obwohl die Operation international fast einhellig kritisiert wird, sieht der Diplomat sein Land nicht isoliert. In den Medien würden viele Lügen verbreitet. Doch nun habe auch Donald Trump erkannt, wie gefährlich die PKK sei. Tatsächlich hat der US-Präsident am Mittwoch gemeint, die Kurdenmiliz sei bedrohlicher als der IS.
Flüchtlinge nach Europa?
Die Ansage des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan, seine Regierung könnte die im Land befindlichen 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge Richtung Europa schicken, will Ümit Yardim nicht als Drohung verstehen, sondern als „Warnung“: „Man muss unsere Situation realistisch sehen, wir haben unsere Türen nie geschlossen und kümmern uns um insgesamt 6,5 bis 7 Millionen Vertriebene, 3,6 Millionen in der Türkei, gut 3 Millionen jenseits der Grenze in Syrien. Präsident Erdoğan wollte lediglich auf diese Gegebenheiten hinweisen und so die Sensibilität zu dem Thema in Europa erhöhen und zur Zusammenarbeit einladen.“
Salutierende Kicker
Dass in dieser Woche türkische Fußball-Nationalspieler bei einem EM-Qualifikationsmatch im Stadion demonstrativ salutierten und so ihre Solidarität mit Erdoğan und seiner Offensive bekundeten, stellt für den Endfünfziger kein Problem dar: „Die Türken sind eben sehr emotional, und sie haben das Recht, ihre Emotionen offen zu zeigen. Auch andere Fußballer haben schon in der Öffentlichkeit salutiert“, sagt der Botschafter und reicht mehrere Beweisfotos – eines zeigt Antoine Griezmann in dieser Pose vor Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nach dem Sieg im WM-Finale 2018.
Auf die Tatsache, dass es sich dabei im Gegensatz zu den türkischen Kickern nicht um ein politisches Statement gehandelt hat, ging Yardim nicht ein. Er hoffe jedenfalls, dass die Türkei und Österreich bei der EM 2020 in derselben Gruppe spielen, „dann können wir uns die Begegnungen gemeinsam anschauen“.
"Großen Respekt"
Die beiden Länder hätten eine Jahrhunderte alte Beziehung. In manchen Bereichen habe man zwar „unterschiedliche Meinungen“, die Gesamtheit der Beziehungen sei aber gut. „Als Gast dieses schönen Landes Österreich habe ich großen Respekt vor seinen Institutionen und auch dem Außenminister.“ Die Ansicht von Alexander Schallenberg teile er aber nicht, dass wegen der Militäroperation der Türkei dem Land der Status eines EU-Beitrittskandidaten entzogen werden solle.
Der Botschafter über die salutierende Kicker
Kurz-Worte „historisch“
An Ex- und vermutlich bald Neo-Kanzler Sebastian Kurz schätzt der Diplomat dessen klare Worte rund um den heurigen 1. Mai-Aufmarsch, als der VP-Chef die PKK als „terroristisch“ bezeichnet hatte: „Das war treffend und von historischer Bedeutung. Die Aussagen sollten als Vorbild für andere Staatsmänner gelten.“
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