Türkei mischt in Mossul mächtig mit

Trotz Protesten aus Bagdad beteiligt sich Ankara an der Rückeroberung – auch wegen Eigeninteressen.

"Die, die sagen, die Türkei habe in Mossul nichts verloren, haben die Antwort erhalten." Mit grenzwertigem Selbstbewusstsein kommentierte der türkische Premier Binali Yildirim den aktiven Eintritt seines Landes in den Kampf um die zweitgrößte irakische Stadt: Seit gestern lasse die Führung in Ankara ihre Luftwaffe aufsteigen, um den Vormarsch der alliierten Streitmacht auf Mossul zu ebnen und die Stadt aus den Fängen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu entreißen. Später relativierte Yildirim seine Aussage: Man sei Teil der Anti-IS-Koalition.

In Bagdad sieht man das türkische Engagement aber sehr kritisch, viele lehnen es kategorisch ab und befürchten neo-osmanische Hegemonie-Ansprüche.

2000 türkische Soldaten

Tatsächlich sieht sich Ankara als Schutzmacht der turkmenischen Minderheit von Mossul, das früher lange von den Sultanen regiert wurde. Und die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan bringt sich auch als Schirmherr der sunnitischen Araber in Stellung – der beherrschenden Ethnie der nordirakischen Stadt, die vor der Eroberung durch den IS vor zwei Jahren rund drei Millionen Einwohner hatte und jetzt immer noch in etwa die Hälfte.

2000 Mann hat die türkische Armee stationiert im Nordirak, sehr zum Ärger der schiitisch dominierten Führung in Bagdad. Die Soldaten bilden kurdische Peschmerga und sunnitische Milizen aus, sollen aber auch sicherstellen, dass nach dem Fall der Stadt ein Teil des Kuchens Ankara zufällt. In diesem Kontext soll morgen in Paris eine Konferenz stattfinden, auf der im Beisein von 20 Außenministern über Mossuls Zukunft nach Vertreibung der Dschihadisten diskutiert wird.

560 US-Militärberater

Während das Bündnis an vier Fronten auf die Stadt, die wegen ihrer feinen Baumwollprodukte einst namensgebend für den Stoff Musselin war, vorrücken und dabei Erfolge vermelden, wird die eigentliche Entscheidungsschlacht erst für November oder Dezember erwartet. Koordiniert werden alle Aktivitäten von der irakischen Armee in ihrem Hauptquartier Qayyarah südlich von Mossul, wo auch 560 US-Militärberater samt Artilleriesystemen Stellung bezogen haben.

Auch die schlagkräftigen schiitischen Haschd-Milizen sind aufmarschiert, beteiligen sich aber nicht direkt an den Kämpfen um Mossul, sondern sollen verhindern, dass sich IS-Extremisten nach Syrien absetzen. Hintergrund dieser von Bagdad diktierten Zurückhaltung: Bei der Rückeroberung der früher vom IS gehaltenen Städte Ramadi oder Tikrit war es zu Übergriffen auf Sunniten gekommen, die samt und sonders als IS-Unterstützer abgestempelt wurden. Dies hatte die Spannungen zwischen den beiden muslimischen Religionsausrichtungen verschärft. Im Falle Mossuls soll dieser Fehler vermieden werden, zumal auch die Türkei darauf drängt, dass keine Schiiten die Stadt betreten.

Furcht vor IS-Rückkehrern

Militärstrategen sind sich einig, dass es zu einem zermürbenden Häuserkampf käme, wenn der IS die Stadt, in der sein Anführer Abu Bakr al-Bagdadi im Juni 2014 das "Kalifat" ausgerufen hat, mit allen Mitteln verteidigte. In diesem Szenario könnten bis zu einer Million neue Flüchtlinge zu versorgen sein.

Allerdings zitiert das Wall Street Journal einen IS-Kommandeur, der angekündigt habe, sich aus "taktischen" Gründen teilweise aus Mossul zurückzuziehen. Es werde "keine große epische Schlacht" geben. In diesem Fall würde, so Experten, der IS auf seine altbewährten Ausweichtaktiken setzen: Guerillatätigkeit in der Region, und IS-Rückkehrer sollen in Europa, das befürchtet auch EU-Sicherheitskommissar Julian King, für Angst und Schrecken sorgen.

Kommentare