Stillstand und Schlammschlacht im Weißen Haus

Während Machtkämpfe auf Bierzelt-Niveau ausgetragen werden, steckt Trumps Politik fest.

Am Ende der 30. Kalenderwoche steht die Regierung von Donald Trump an mehreren Fronten vor Scherbenhaufen. Im Verhältnis mit Russland brennt es lichterloh. Eine neue Krankenversicherung ist nach einer historischen Abstimmungsniederlage im Senat in weite Ferne gerückt. Im Weißen Haus hat das Hauen und Stechen einen vulgären Höhepunkt erreicht. Die Schlagzahl der schlechten Nachrichten wird höher. Der Reihe nach:

"Bühne für Intriganten"

Trump heuerte auf Empfehlung seines Schwiegersohnes Jared Kushner den Wall Street-Investor Anthony Scaramucci (53) als neuen Kommunikationschef an. Der Multimillionär mit italienischen Wurzeln schaffte es in einer Woche, selbst zur größten Skandalstory in Washington zu werden.

Er beleidigte Trumps Stabschef Reince Priebus als "verdammten paranoiden Schizophrenen", der bald rausgeworfen werde. Dem rechtsnationalen Top-Berater Stephen Bannon warf er in nicht jugendfreien Worten vor, sich auf Kosten Trumps zu profilieren. Selbst Trump-freundliche Medien bezeichneten den Niveauverlust als "schockierend". Das Weiße Haus sei zu einer "Bühne für Intriganten verkommen – mit Trump als "Zuschauer-in-Chief". Dass er Scaramucci nicht umgehend entließ, sondern ihm über eine Sprecherin sogar den Rücken stärken ließ, gilt als "Alarmzeichen". Scaramucci sei offensichtlich von höchster Stelle autorisiert, als "Abrissbirne" gegen illoyale Mitarbeiter zu agieren.

Nichts anderes macht Trump persönlich mit seinem Justizminister. Weil sich Jeff Sessions in der Russland-Affäre für befangen erklärt hat und somit als Abfangjäger für Trump-Kritiker ausfällt, demütigt der Präsident seinen treuen Unterstützer mit Attacken in den Medien und will so seinen Rücktritt herbeiführen. Sessions aber lässt sich, unterstützt von empörten Republikanern, die sich schützend vor ihn stellen, bisher nicht aus dem Amt mobben. Sollte Trump Stabschef Priebus und Sessions in den nächsten Tagen eigenhändig feuern, erwarten republikanische Kreise eine "offene Schlammschlacht, die alles ins Rutschen bringen kann".

Traurige Farce

Trumps zentrales Versprechen, das Krankenversicherungsmodell seines Vorgängers ("Obamacare") abzuschaffen und durch "etwas ganz Wunderbares" zu ersetzen, ist seit Freitagmorgen 1.40 Uhr endgültig zur Farce geworden. Die mit Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses regierenden Republikaner konnten selbst für ein drastisch abgespecktes Minimal-Gesetz keine Mehrheit organisieren. Zu weit auseinander liegen innerparteilich die ideologisch zementierten Standpunkte.

Auch der im Wahlkampf versprochene Neustart der Beziehungen mit Russ land ist endgültig gescheitert. Als Reaktion auf ein mit überwältigender Mehrheit im Kongress angeschobenes Sanktionspaket, das zum Leidwesen Europas vor allem den russischen Energie-Sektor betrifft, hat der Kreml Gegenmaßnahmen angeordnet.

Bis 1. September müssen die USA ihr diplomatisches Personal in Russland um über die Hälfte (jetzt 1100) reduzieren. Trump hat das verschärfte Sanktionsgesetz noch nicht unterschrieben. Er erwägt ein Veto. Der Graben zwischen Weißem Haus und Kongress würde damit noch tiefer, die USA noch unregierbarer. Fortsetzung folgt – unweigerlich.

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