Bauern-Beben in den USA: China kauft wegen Trump keine Sojabohnen mehr

FILE PHOTO: China pivot from US farm imports bolsters it against trade war risks
Strafzölle des Präsidenten treiben Tausende Höfe - ausgerechnet seine treuesten Wähler - an den Rand des Ruins. Dagegen profitiert Argentinien.

Es ist ein Déjà-vu der besonderen Art. Wieder verspricht Donald Trump Amerikas Landwirten ein „goldenes Zeitalter”. Wieder steht die Sorge im Raum, dass ausgerechnet der Mann, denn sie 2016, 2020 wie 2024 mit überwältigender Mehrheit an der Wahlurne unterstützt haben, ihre berufliche Existenz vernichtet. 

Die Kernfrage lautet erneut: Wie sollen sie ihre Ernte verkaufen, wenn der Präsident die wichtigsten Abnehmer mit Strafzöllen derart vergrätzt hat, dass sie sich neue Lieferanten suchen und US-Produzenten ihre Ernte entweder zu Dumping-Preise verhökern oder zu erhöhten Kosten einlagern müssen?

„Farmageddon”

Wer die in regelmäßigen Fernsehberichten über emotional enorm aufgeladene Bauern-Versammlungen abgebildete Misere erfassen will, kommt an Caleb Ragland nicht vorbei. 

Der 39-Jährige führt in mittlerweile neunter Generation eine 4.500 Hektar große Farm in Kentucky, ganz in der Nähe des Geburtsortes von Abraham Lincoln. Als Präsident der Interessenvertretung von rund 500.000 Sojabohnen-Erzeugern ist Ragland seit Wochen mit der Alarmglocke unterwegs. Sein Mantra: Washington muss umgehend am Verhandlungstisch Notlösungen erzielen - andernfalls erleben Tausende Höfe, vor allem die in Familienbesitz, das Weihnachtsfest nicht mehr. Es droht ein „Farmageddon”.

China war der wichtigste Abnehmer

Raglands Rechnung ist einfach: Weil China, bisher mit circa 25 Prozent der traditionell wichtigste Abnehmer des größten Agrar-Exportschlagers der Vereinigten Staaten („soy beans”) gewesen, auf Donald Trumps Strafzoll-Regime durch Alternativ-Einkäufe in Südamerika reagiert hat, steht ihm und seinen Kollegen das Wasser zur Hoch-Zeit der Ernte finanziell an der Unterlippe.

Die Auswirkungen sind immens. Die Landwirtschaft trägt in den USA pro Jahr knapp 1.500 Milliarden Dollar zum Bruttoinlandsprodukt bei, rund 5,5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. In der Branche arbeiten eine Million Menschen. Auf den Sojabohnen-Sektor entfallen rund 230.000 Arbeitsplätze. Jede Milliarde US-Dollar an landwirtschaftlichen Exporten sichert rund 6.000 Arbeitsplätze. Im ersten Halbjahr mussten rund 200 Höfe das Handtuch werfen - Pleite.

Trumps erste Amtszeit

Bereits in Trumps erster Präsidentschaft erlitten die Landwirte durch den damals entfachten Handelskrieg ein Minus von 26 Milliarden Dollar (20 Mrd. allein bei Sojabohnen), das die Regierung Trump durch Ausgleichszahlungen aus der Steuerkasse in Höhe von 23 Milliarden Dollar linderte. Jetzt zeichnet sich ein Revival ab.

Finanzminister Scott Bessent und Landwirtschaftsministerin Brock Rollins wollen in dieser Woche gemeinsam mit Trump ein Akut-Rettungspaket von zehn Milliarden bis 14 Milliarden Dollar präsentieren. Ironie: Das Geld soll aus den Einnahmen aus Strafzöllen abgezweigt werden, die Trump weltweit durchgepeitscht hat. 

Das Weiße Haus ist sich der Gefahr bewusst. In einem Jahr stehen Zwischen-Wahlen im Kongress an. Republikanische Abgeordnete in Bauern-Bundesstaaten wie Illinois, Iowa oder Indiana könnten abgestraft werden, was der „Grand Old Party” die Mehrheit im Parlament kosten würde.

Die Hilfe wird wohl nicht reichen

Problem dabei: Die Überbrückungshilfe reicht wohl nicht. Gegenüber 2018 sind die Erlöse beim Verkauf der Ernten von Mais, Weizen, Sorghum, Reis und Sojabohnen um circa 40 Prozent gesunken. Die erzielbaren Preise liegen deutlich unter den Produktionskosten. Parallel wurden Phosphat, Kalium, Herbiziden und andere Vorlaufprodukte wie Saatgut und Maschinenteile 50 Prozent teurer, sagt Joe Logan, Landwirt aus Ohio.

Caleb Ragland wird noch deutlicher. „Zahlungen und Programme der Regierung gleichen die Verluste der Landwirte niemals vollständig aus. Oftmals sind sie nur ein Pflaster auf einer Wunde.” 

Der pausbäckige Farmer weist gebetsmühlenartig darauf hin, dass bis vor Kurzem China allein „so viel Sojabohnen wie alle unsere anderen Exportmärkte zusammen gekauft hat”. Seit Mai ist der Riesenreich ein „Nullkäufer”. Rettungsaktionen aus Washington könnten das nicht kompensieren. Er fordert im Eiltempo ein gesondertes Handelsabkommen mit Peking. „Was wir brauchen, sind Märkte und Möglichkeiten, damit wir tatsächlich Gewinne erzielen und die hohen Investitionen der Landwirte wieder hereinholen können.“

Trump will im Laufe der nächsten Wochen im persönlichen Gespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping eine dauerhafte Lösung anstreben, sagt das Weiße Haus - Details offen.

„Peinlichkeit mit Argentinien”

Um sich China als Markt zu erschließen, haben US-Landwirte, Agrarunternehmen und das zuständige Ministerium jahrelang Türklinken geputzt. Bereits die 2018er Delle, ausgelöst von Trump, hat aufgebautes Vertrauen beschädigt. Sein aktuelles Strafzoll-Regime könne dazu führen, dass China vollends von der Fahne geht, heißt es im Umfeld der Sojabauern-Organisation. 

Und dann ist da auch noch die „Peinlichkeit mit Argentinien”. Das wirtschaftlich torkelnde südamerikanische Land ist gerade dabei, unter ominösen Umständen ein 20 Milliarden Dollar-Darlehen aus Washington zu bekommen, weil Trump den dortigen Macher Javier Milei bewundert.

Die Finanzhilfe ist vor wenigen Tagen übel aufgestoßen. Während seiner Teilnahme an der UN-Generalversammlung in New York erhielt Finanzminister Bessent eine SMS von einem Kontakt mit dem Kürzel „BR“. Dahinter verbirgt sich Sohn Brooke Rollins. Bessents Kabinettskollegin ist für die Landwirtschaft zuständig - und versteht die Welt nicht mehr: „Wir haben Argentinien finanziell unter die Arme gegriffen. Und im Gegenzug haben die Argentinier ihre Ausfuhrzölle auf Getreide abgeschafft, wodurch dessen Preis gesunken ist, und eine Menge Sojabohnen an China verkauft, zu einer Zeit, in der wir normalerweise an China verkaufen würden.“ 

Mit anderen Worten: Mit der aus der Steuerkasse finanzierten Hilfe aus Washington greift Buenos Aires in China Marktanteile ab, die unter normalen Umständen von US-Landwirten bedient werden. Ein Bauer aus Pennsylvania: „Das ist der reine Wahnsinn.”

Kommentare