Werden Medikamente in Österreich bald teurer?

Es war eine glatte Drohung: „Mit 1. Oktober“, so verlautbarte US-Präsident Donald Trump jüngst auf der sozialen Plattform X, „werden wir einen 100-prozentigen Zoll auf alle pharmazeutischen Produkte einheben – es sei denn, ein Pharma-Unternehmen baut einen Standort in den USA.“
100 Prozent Aufschlag auf Medikamente? Was heißt das für die Hersteller? Und vor allem: Werden Waren mit massiven Zöllen nicht grundsätzlich immer teurer?
Seit Monaten beschäftigt die Pharma-Wirtschaft die Frage, was sich durch die zunehmend nach innen gerichteten Interessen der US-Politik ändert. Der Pharma-Markt ist seit jeher enorm globalisiert. Allein über den Atlantik werden pro Jahr Hunderte Millionen Kilogramm an pharmazeutischen Waren verschifft (siehe Grafik unten).
Insofern wäre es bizarr zu glauben, dass 100-prozentige Zölle rein gar nichts an der Situation und damit an den Preisen ändern würden.
Alexander Herzog ist Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie Pharmig. Und er hat schon im Sommer im KURIER gewarnt, dass „die Zeit der billigen Medikamente vorbei ist“.
Was aber droht konkret zu passieren? Und wie kann man erklären, dass Import-Zölle in die USA, also bei Waren, die nach Amerika gebracht werden, die Preise auf unserer Seite des Atlantiks erhöhen könnten?
Vollversichert
Dazu muss man eines wissen: Der Markt bei Arzneimitteln in Europa funktioniert völlig anders als in den USA.
„Österreich ist ein Land, in dem Medikamente für Patienten sehr günstig sind, weil die Preise reglementiert sind und die Sozialversicherungen zentral mit der Pharma-Branche verhandeln“, sagt Wirtschaftsforscher Wolfgang Schwarzbauer vom Institut Eco Austria zum KURIER.
Vereinfacht gesagt, vereinbaren die Pharma-Produzenten mit der Sozialversicherung die Preise.
Dadurch, dass in Österreich de facto jeder Mensch sozialversichert ist, hat die Pharma-Wirtschaft einen vergleichsweise sicheren Absatzmarkt. Im Gegenzug für diese Planbarkeit muss sie maximal niedrige Preise garantieren.
In den USA funktioniert der Markt bei Medikamenten ganz anders, nämlich: ähnlich wie bei „normalen“ Konsumgütern: Die Nachfrage regelt grosso modo den Preis. Und da viele Patienten nicht oder nur ungenügend versichert sind, müssen sie vergleichsweise höhere Preise für Medikamente bezahlen. Vor allem dann, wenn es um innovative Therapien geht.
Dass amerikanische Patienten für dieselben Präparate mehr bezahlen müssen als Europäer, hält Donald Trump für derart unanständig, dass er schon im Mai eine „Executive Order“ erlassen hat, die – und hier ist man wieder in Österreich – Auswirkungen auf die hiesigen Medikamentenpreise haben wird. Denn Trump will die Kosten für innovative Produkte (z. B. bei Krebstherapien etc.) in den USA senken und den „Most-Favoured-Nation“-Preis bezahlen, sprich: Er will den niedrigsten Preis, den ein Hersteller in „bevorzugten Ländern“ (eben „Most-Favoured-Nations“ wie Österreich, Anm.) verlangt.
Was dann passieren könnte: Um den US-Markt nicht zu verlieren, senken die Pharma-Konzerne die Kosten für Medikamente in den USA und verteilen den Abgang auf alle anderen Industrienationen. Auf Österreich umgemünzt, bedeutet das: Zumindest bei den teureren Medikamenten könnte die Sozialversicherung bald deutlich höhere Forderungen der Pharma-Industrie bekommen.
Autarkie
Der Schluss, den Experten, ob der bestehenden Problematik sehen, ist vergleichsweise simpel: „Österreich muss sich stärker und unabhängiger aufstellen“, sagt Wirtschaftsforscher Schwarzbauer.
Soll heißen: Österreich täte durchaus gut daran, produzierende Pharma-Konzerne ins Land zu lotsen.
„Auf der anderen Seite des Atlantiks wird die Industrie fast schon genötigt, Geld in den Standort zu investieren“, sagt Experte Herzog.
In Österreich und Europa sei man diesbezüglich noch immer zurückhaltend. Herzog hält das für einen strategischen Fehler: „Denn hier geht’s nicht nur um eine gesundheitspolitische Frage, sondern ganz generell um die Sicherheit des Landes.“
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