Trudeau, Le Pen, Cuomo: Das sind die Nepo-Babys der Weltpolitik
Zoë Kravitz, Brooklyn Beckham, Lily Rose Depp – 2022 war das Jahr, in dem der eigentlich alte Begriff der Nepo(tism)-Babys in sozialen Medien, besonders auf TikTok, zu einem bekannten Schimpfwort wurde. Damit sind vor allem Hollywood-Sternchen gemeint, die bereits in Promi-Familien hineingeboren worden sind. Die Generation Z hinterfragte dieses Phänomen neu und zeigte sich schockiert darüber, wie viele ihrer Idole berühmte Eltern haben:
Nachdem das New York Magazine das Thema aufgriff und mit der Schlagzeile “She Has Her Mother’s Eyes. And Agent.” titelte, schwappte das Thema auch in die klassischen Medien über:
Im Vordergrund stand dabei stets die Skepsis, ob die Künstler auch ohne ihren familiären Background einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit gelandet wären. In der Nepo-Baby-Debatte geht es damit um etwas, das die Menschheit schon sehr lange beschäftigt: Gerechtigkeit. Die Generation Z ist bekannt dafür, die eigenen Privilegien zu kritisieren und als unfair zu empfinden. Dass in dieser Welt nicht jeder die gleichen Chancen hat, ist aber natürlich nichts Neues.
Falscher Fokus?
Die britische Popsängerin Lily Allen, selbst ein Nepo-Baby, hat sich öffentlich gegen die Vorwürfe gewehrt. Neben der Behauptung, dass Kinder von Prominenten "ausgehungert" seien und es ihnen beim Großwerden an Liebe und Stabilität durch die Eltern fehle, bracht die 37-Jährige das folgende Argument in die Diskussion ein: "Die Nepo-Babys, über die ihr euch Sorgen machen solltet, sind diejenigen, die für Anwaltskanzleien, Banken und in der Politik arbeiten." Über sie müsse man reden, wenn es um Konsequenzen in der realen Welt gehen solle oder darum, dass vielen Menschen Möglichkeiten geraubt werden.
Ob das stimmt oder nicht, sei dahingestellt. Wo Allen aber ohne Zweifel recht hat: Nepo-Babys sind nicht nur auf den Kinoleinwänden, sondern etwa auch auf den politischen Bühnen dieser Welt zu finden. Der KURIER hat ein paar bekannte herausgesucht:
1. Justin Trudeau
Dass Nepo-Babys auch an der Spitze von Regierungen landen, beweist Kanadas Premierminister Justin Trudeau. Der 51-Jährige hat sein Amt seit 2015 inne, politisch aktiv war er jedoch schon lange davor. So warb er schon als Schüler bei der Unterhauswahl 1988 für die Liberale Partei, der er heute vorsitzt, und verteidigte auf der Studentenveranstaltung einer angesehenen Jesuitenschule den kanadischen Föderalismus. Kein Wunder, denn Trudeau wurde der Posten als Premier sozusagen in die Wiege gelegt: Schon sein Vater Pierre Trudeau war von 1968 bis 1984 mit einer Unterbrechung in diesem Amt tätig. Auch mütterlicherseits gab es einen Politiker in der Familie, sein Großvater James Sinclair war in den 1950ern Fischereiminister.
2. Marine Le Pen
Auch sie ist in die Fußstapfen ihres Vaters getreten: die Französin Marine Le Pen (54), Politikerin der rechstpopulistischen Partei Rassemblement National (RN). Besonders durch ihre drei Kandidaturen bei den Präsidentschaftswahlen erlangte sie internationale Bekanntheit. Zwar gewann sie nie, doch 2017 und 2022 schaffte sie es bis in die Stichwahl gegen den nach wie vor amtierenden Emmanuel Macron.
Dass sie dem RN von Jänner 2011 bis November 2022 als Vorsitzende diente, ist kein Zufall. Schließlich hat ihre Familie die Bewegung vor gut 50 Jahren selbst gegründet, damals noch als Front National. Ihr Vater Jean-Marie Le Pen leitete die Partei von 1972 bis zur Übernahme durch Marine. Besonders friedlich lief die Ablöse aber nicht ab, distanzierte Marine sich doch vom offenen Rassismus und Antisemitismus Jean-Maries, der als Holocaustleugner gilt.
Im Mai 2015 beschloss Marines Partei sogar, Jean-Marie wegen "schwerer Verfehlungen" auszuschließen. Seitdem spart der heute 94-Jährige nicht mit Kritik an seiner Tochter, die der Partei 2018 einen neuen Namen gab. 2021 sprach er sich sogar zeitweise für die Kandidatur des Journalisten Éric Zemmour, Le Pens rechten Gegner im Präsidentschaftswahlkampf 2022, aus.
3. Andrew Cuomo
Ein weiterer erfolgreicher Politiker, der sich die Karriere von einem Elternteil abschaute, ist Andrew Cuomo (65). Von 2011 bis 2021 war der Demokrat Gouverneur von New York, wie zuvor schon sein Vater Mario Cuomo von 1983 bis 1994. Andrews Laufbahn verlief am Ende jedoch glanzloser als die von Mario: Im Sommer 2021 trat er zurück, nachdem Vorwürfe sexueller Belästigung gegen ihn aufkamen.
Bis 2005 war Andrew übrigens mit einer Frau verheiratet, die einer noch viel größeren Politikerfamilie entstammt: Kerry Kennedy, Nichte des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy.
4. Victoria Prentis und Andew Mitchell
Von Generalstaatsanwältin Victoria Prentis (51) über Entwicklungsminister Andrew Mitchell (66) bis hin zu den Unterhaus-Abgeordneten Victoria Atkins (46) und Hillary Benn (69) - Auch "In der britischen Politik wimmelt es nur so von Nepo-Babys", wie die Journalistin Lucy Fisher es kürzlich beschrieb. Mehr als 50 amtierende Abgeordnete in Großbritannien haben ihrer Recherche zufolge familiäre oder eheliche Verbindungen zu anderen derzeitigen oder ehemaligen Abgeordneten:
5. Die Clintons
Die Clintons, die Kennedys, die Bushs - in den USA gehören mächte Familien-Clans sozusagen zum Fundament der Politik. Viele ehemalige US-Präsidenten waren somit Nepo-Babys, man bezeichnet das Phänomen einfach schon lange anders und spricht von politischen Dynastien.
Eher seltener passiert es, dass die Ehepartner von Nepo-Babys in die Politik gehen, wie im Fall von Hillary Clinton (75). Ihre Eltern hatten nie etwas mit Politik am Hut, dafür heiratete sie 1975 den Demokraten Bill Clinton (76). Als dieser 1992 im Präsidentschaftswahlkampf gegen George Bush (76) gewann, wurde Hillary First Lady. Bei der Wahl 2016 versuchte sie dann, ihrem Mann nachzufolgen. Als erste Frau jemals trat sie an, um Präsidentin zu werden – und verlor, gegen den Republikaner und Skandal-Politiker Donald Trump (76).
Auch in Österreich gibt es politische Nepo-Babys
Der politische Nepotismus spielt natürlich auch in Österreich eine Rolle, wird es doch gern als "Land der Freunderlwirtschaft" bezeichnet. Ein Nepo-Baby mit einer erfolgreichen Laufbahn ist etwa Außenminister Alexander Schallenberg (53, ÖVP), der einer Adelsfamilie entstammt. Schon sein Vater Wolfgang Schallenberg (92) arbeitete als österreichischer Botschafter in Frankreich, Indien und Spanien arbeitete. Von 1992 bis 1996 war er Generalsekretär im Außenministerium.
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