Nach wilden Drohungen gegen Iran: Trump will verhandeln
Mixed messages gehören zum politischen Standard-Werkzeug von Donald Trump. Amerikas Präsident glaubt fest daran, Freund und Feind mit widersprüchlichen Botschaften am besten auf Trab halten zu können. Und seien sie – siehe zurückliegende Androhungen, Nordkorea und den Iran zu vernichten – auch noch so heikel.
Im Rahmen seiner bisher wenig erfolgreichen Strategie des „maximalen Drucks“ gegen Teheran hat der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte jetzt den bisher gewagtesten Akt hingelegt.
Als Antwort auf den iranischen Abschuss einer US-Überwachungsdrohne über dem Persischen Golf hatte Trump nach kontroversen Erörterungen mit seinen engsten Ratgebern am Donnerstag grünes Licht für eine begrenzte Strafaktion gegeben. Sie sollte iranischen Radar- und Raketenstellungen gelten.
Um Zivilisten so gut es geht zu schützen, waren die Angriffe für den frühen Freitagmorgen geplant. Kampf-Jäger sollen bereits in der Luft und Kriegsschiffe vor der Küste des Iran in Position gewesen sein, als Trump gegen 19.30 Uhr Ortszeit in Washington (1.30 Uhr am Freitag in Europa) die Aktion abrupt abblies.
Die New York Times berichtete unter Berufung auf hochrangige Regierungsmitarbeiter zuerst darüber. Andere US-Medien zogen im Minuten-Takt nach. Bekam der Präsident in letzter Sekunde kalte Füße, weil ein Angriff eine militärische Antwort des Iran und womöglich einen regionalen Flächenbrand provoziert hätte? Oder gab es logistische Gründe für die Last-Minute-Absage?
"150 Tote unverhältnismäßig"
Freitagfrüh um 9 Uhr Ortszeit beendete Trump auf Twitter, seinem bevorzugten Kommunikationskanal, das Rätselraten. Man sei unmittelbar bereit gewesen für einen Vergeltungsschlag auf drei verschiedene Ziele, schrieb er. „Als ich fragte, wie viele werden sterben“, habe ein General geantwortet: „150, Sir.“
Weil er dies angesichts des Abschusses einer unbemannten Drohne für nicht „verhältnismäßig“ erachtet habe, sei der Angriff „zehn Minuten“ vor dem geplanten Beginn von ihm gestoppt worden.
Um dem Eindruck vorzubeugen, er sei eingeknickt und schwach, sagte Trump, er habe „keine Eile“, was den Iran angehe. Die Sanktionen gegen Teheran „beißen“. Und das US-Militär sei führend in der Welt und stets einsatzbereit. Botschaft: Ein aufgeschobener Militärschlag ist nicht aufgehoben.
Trump bereit zu Gesprächen
Gegenüber einem NBC-Journalisten zeigte sich Trump am Freitag aber gleichzeitig gesprächsbereit. Er sei offen für Unterredungen mit dem geistlichen und staatlichen Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei oder Präsident Hassan Rouhani, sagte Trump. Es gebe keine Vorbedingungen für Gespräche, habe der US-Präsident in dem Interview weiter gesagt.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters in Erfahrung brachte, hatte Trump die Regierung in Teheran über einen Mittelsmann – das Sultanat Oman – nicht nur rechtzeitig über den letzten Endes abgesagten Angriff vorwarnen lassen. Sondern auch deutlich gemacht, dass er keinen Krieg anstrebe, sondern Gespräche (über ein strikteres Atom-Abkommen etc.).
Der Bote Oman kabelte umgehend zurück, dass das aufseiten der Hardliner zu findende geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Khamenei, sich nicht mit den USA an einen Tisch setzen werde.
Streit um Abschussort
Im iranischen Fernsehen wurden unterdessen Wrackteile präsentiert, die von der abgeschossenen US-Drohne stammen sollen. Über den genauen Abschussort machen der Iran und die USA unterschiedliche Angaben: Laut Teheran befand sich die Drohne im iranischen Luftraum, laut Washington im internationalen. Es geht dabei um wenige Kilometer (siehe Grafik).
„Keine Strategie“
Rob Malley, ein Experte der Politik-Beratungsagentur „International Crisis Group“, zieht den von etlichen Experten in Washington geteilten Schluss, dass Trump „mit sich selbst auf Kollisionskurs ist“. Der Präsident sage, dass er gegenüber dem Iran die Strategie des „maximalen Drucks“ bevorzuge und eine militärische Konfrontation ablehne.
„Beides zusammen kann nicht stimmen“, so Malley. Denn logisch bis zum Ende gedacht, „kann das eine zum anderen führen“. Leon Panetta, Verteidigungsminister unter Barack Obama, teilt diese Einschätzung. Gefragt seien derzeit „eine starke, beharrliche Führung und eine wohl bedachte Strategie“, sagte der Demokrat im US-Fernsehen. „Beides haben wir nicht.“
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