Terrorattentat in Straßburg: Fahndung auch nach Bruder
- Mindestens drei Tote und 13 Verletzte forderte ein Angriff auf den Straßburger Weihnachtsmarkt "Christkindelsmärik" am Dienstagabend.
- Frankreich hat die Terrorwarnstufe in der Nacht erhöht.
- Der Angreifer ist flüchtig. Er wurde von Soldaten angeschossen. Der 29-jährige Chérif C. war polizeibekannt und galt als Sicherheitsrisiko.
Video: Attentat in Straßburg
Der Täter hat Dienstagabend auf dem Weihnachtsmarkt der ostfranzösischen Metropole das Feuer eröffnet und mindestens drei Menschen getötet. Die Behörden korrigierten die Opferzahl in den vergangenen Stunden einmal nach oben, einmal nach unten. Mindestens 13 Personen wurden verletzt. Die Polizei ging zuerst von einem terroristischen Hintergrund aus.Gesichert ist das aber nicht. Mittwochfrüh sagte der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nunez, dem Sender RTL, das ein terroristischer Hintergrund im Moment noch nicht sicher sei.
Auf der Flucht hat sich der Angreifer anschließend zwei Mal einen Schusswechsel mit Sicherheitskräften geliefert, sagte der französische Innenminister Christophe Castaner. Der Schütze soll dabei angeschossen worden sein. Dann soll er laut französischen Medienberichten mit einem Taxi geflohen sein. Derzeit wird laut französischen Medienberichten der Straßburger Stadtteil Neudorf durchkämmt. Dort soll der gesuchte Mann wohnhaft sein.
Der mutmaßliche Täter soll der französischen Justiz bereits bekannt sein. Er soll Chérif C. heißen, 29 Jahre alt sein und, er wurde bereits wegen Delikten in Frankreich und in Deutschland verurteilt.
Fahndung auch nach Bruder
Nach Informationen des Berliner "Tagesspiegels" beteiligen sich die deutschen Sicherheitsbehörden nicht nur an der Suche nach dem Attentäter von Straßburg, sondern fahnden auch nach dessen Bruder. Die beiden wohnten in Straßburg, wie das Blatt am Mittwoch berichtete. Beide Brüder werden als radikalisiert eingestuft und dem Straßburger Islamistenmilieu zugerechnet, sagte ein hochrangiger Sicherheitsexperte der Zeitung. Kontakte zur Salafistenszene in Deutschland seien bisher allerdings nicht bekannt.
Der Attentäter war wegen eines schweren Diebstahls von Jänner 2016 bis Februar 2017 in Deutschland in Haft gesessen. Im Februar 2017 sei er nach Frankreich abgeschoben worden. Dort sei er als terroristischer Gefährder eingestuft, in Deutschland aber offensichtlich nicht, schreibt der "Tagesspiegel".
Motiv Rache?
Das Motiv für den Angriff auf den Straßburger Weihnachtsmarkt könnte Rache gewesen sein, heißt es in Sicherheitskreisen. Möglicherweise habe Cherif C. auf den Versuch seiner Festnahme durch die Polizei in Straßburg spontan reagiert. Den französischen Sicherheitsbehörden sei keine Vorbereitung eines Anschlags in Straßburg bekannt gewesen.
Höchste Terrorwarnstufe ausgerufen
Die französische Regierung hat die höchste Terrorwarnstufe für das Land ausgerufen. Im Zuge des Anti-Terror-Plans Vigipirate wurde die Warnstufe auf das höchste Niveau "urgence attentat" (etwa: "Notfall Anschlag") angehoben, wie Innenminister Christophe Castaner in der Nacht auf Mittwoch in Straßburg sagte. Bisher galt in Frankreich die zweithöchste Stufe "Verstärkte Sicherheit - Anschlagsrisiko".
Auf allen französischen Weihnachtsmärkten werden demnach die Sicherheitskontrollen verschärft, um Nachahmungstaten zu verhindern, sagte Castaner. Auch die Grenzkontrollen sollen verstärkt werden. Außerdem würden die Soldatenpatrouillen in Frankreich ausgeweitet.
Frankreich ist in der Vergangenheit von einer Welle islamistischen Terrors überzogen worden. Seit Anfang 2015 starben rund 240 Menschen bei Anschlägen. Allein bei der folgenschwersten Attentatswelle kamen im November 2015 in Paris 130 Menschen ums Leben.
Mehrere Schüsse gegen 20 Uhr
Das französische Innenministerium sprach in der Nacht von einem "ernsthaften Sicherheitsvorfall" und forderte die Bewohner auf, zu Hause zu bleiben. Einen ähnlichen Appell hatte zuvor Straßburgs Vize-Bürgermeister Alain Fontanel veröffentlicht. Wie der Nachrichtensender Franceinfo ergänzend berichtete, riegelte die Polizei Teile der Innenstadt ab.
Augenzeugen berichteten, dass gegen 20.00 Uhr mehrere Schüsse zu hören gewesen seien. Die Menschen in den Gassen hätten die Flucht ergriffen. „Wir haben mehrere Schüsse gehört, vielleicht drei, und dann haben wir Leute rennen sehen“, sagte eine Augenzeugin zu AFP. „Eine von ihnen ist gestürzt - ich weiß nicht, ob sie gestolpert ist oder getroffen wurde.“ Ein Straßburger Geschäftsbesitzer schilderte die Ereignisse im französischen Fernsehen so: "Es gab Schüsse und dann rannten überall die Menschen." Und: „Es dauerte ungefähr zehn Minuten.“
Grenzkontrollen nach Deutschland
Ein Sprecher der deutschen Bundespolizei teilte mit, dass mehrere Grenzübergänge von Deutschland nach Frankreich kontrolliert würden. Pendler von Deutschland nach Frankreich müssten sich auf Wartezeiten bis zu 90 Minuten einstellen, hieß es in der Früh. Nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch der öffentliche Nahverkehr werde überprüft. Dazu zählt auch die grenzüberschreitende Tram D. Diese war in der Nacht bereits komplett gesperrt worden, inzwischen fährt sie aber wieder. Laut Polizei wird auch die Fußgänger- und Radfahrerbrücke Passerelle des Deux Rives zwischen Kehl und Straßburg kontrolliert.
Außenamt: Keine Österreicher unter Opfern
Unter den Opfern sind nach bisherigen Erkenntnissen keine Österreicher. Das teilte das Außenministerium in der Nacht noch mit. Das Außenamt aktualisierte die Reisehinweise auf seiner Homepage aus aktuellem Anlass: "Bewaffneter Zwischenfall in Strassburg. Meiden Sie das Zentrum und folgen Sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte", hieß es dort.
Im sozialen Netzwerk Facebook wurde die Funktion "Safety Check" für Straßburg freigeschaltet. Menschen, die sich in der Stadt aufhalten oder dort vermutet werden, können sich dort als "sicher" markieren.
Schütze sollte am Dienstag verhaftet werden
Der Straßburger Angreifer sollte nach Medienberichten eigentlich am Dienstagmorgen verhaftet werden. Wie der Sender France Info am Dienstagabend unter Berufung auf Polizeiquellen berichtete, war der Mann jedoch nicht zu Hause. Demnach wird ihm versuchter Mord vorgeworfen. Bei einer Durchsuchung der Wohnung am Dienstagmorgen sollen Stunden vor dem Angriff Granaten gefunden worden sein. Das berichteten etwa der französische Sender France Info und die Zeitung Le Parisien am Dienstagabend.
Mann galt als Sicherheitsrisiko
Die Straßburger Polizeipräfektur erklärte, der Täter sei vom Inlandsgeheimdienst als Sicherheitsrisiko eingestuft gewesen. Über ihn sei ein sogenanntes „Fiche S“ geführt worden. In dieser Kategorie werden rund 26.000 Personen geführt, von denen 10.000 als stark radikalisiert gälten, etwa durch salafistische Moscheen.
Anti-Terror-Spezialisten der Pariser Staatsanwaltschaft übernahmen die Ermittlungen. Die Untersuchung wurde unter anderem dem Inlandsgeheimdienst DGSI übergeben, wie Justizkreise der Deutschen Presse-Agentur in Paris bestätigten
Europäisches Parlament abgeriegelt - Sitzung aber nicht unterbrochen
Nach den Schüssen auf dem Weihnachtsmarkt riegelte die Polizei das Gebäude des Europäischen Parlaments in Straßburg ab. Dort finden in dieser Woche Plenarsitzungen des Parlaments statt, Hunderte Abgeordnete und ihre Mitarbeiter halten sich deshalb in der Stadt auf. Wegen der polizeilichen Absperrung konnten Parlamentarier, Mitarbeiter und Journalisten das Gebäude am Abend zunächst nicht verlassen.
Das
Einer der ältesten Weihnachtsmärkte
Der Straßburger "Christkindelsmärik" ist einer der ältesten und größten Weihnachtsmärkte in Europa. Er zieht viele Besucher in die elsässische Stadt. Der Markt sollte schon einmal Ziel eines Attentats sein: Im Jahr 2000 wurde ein geplanter Sprengstoffanschlag einer algerischen Gruppe rechtzeitig verhindert.
Täglich sind rund 300 Polizisten und 160 private Wachleute auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt im Einsatz. Die Zufahrt für Autos ist drastisch eingeschränkt, Betonblöcke sollen Auto-Attentäter abhalten. „Die Terrorgefahr ist sehr hoch“, hatte Frankreichs Innenstaatssekretär Laurent Nunez im November bei einem Besuch zu Beginn des Straßburger Weihnachtsmarkts gesagt.
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